Romana Extra Band 1
verdiente.
Schließlich schlug sie vor, zuerst die zweite Kiste systematisch zu sichten. So würde sie sich von Anfang an einen guten Überblick über den Umfang des Projekts verschaffen können.
Sie brachten die Artikel und Pressemitteilungen in eine zeitliche Abfolge und sortieren die Fotos aus dreißig Jahren Schauspielerei. Mithilfe des Internets checkten sie Daten, Namen, öffentliche Auftritte und TV-Interviews. Am Ende war es ihnen gelungen, eine Liste zu erstellen, die vielleicht nicht ganz vollständig war, aber die beruflichen Höhepunkte seiner Mutter umfasste.
Es war erstaunlich, was sie in nur drei Stunden geschafft hatten. Nämlich die Karriere seiner Mutter zu umreißen, die so lang ein Star in der Film- und Fernsehwelt gewesen war, dass man sie praktisch als Institution bezeichnen konnte. Diese dokumentierte Zusammenfassung lieferte eine perfekte Zeitschiene vom schauspielerischen Wirken der großen Crystal Leighton.
Mark trank seinen Kaffee aus und stellte den Becher zurück auf den Tisch, als Lexi hinter ihm vorbeiging. Wieder atmete er den blumigen Duft ihres Parfums ein, der ihn jedes Mal mehr zu berauschen schien.
Einige Augenblicke später nahm sie die oberste Sammelmappe aus der ersten Kiste und berührte ihn dabei kurz am Arm. Sofort schien sein Blut noch schneller in den Adern zu pulsieren.
Und als wäre das alles nicht schon genug, rutschte ein Foto aus der Mappe und fiel auf den Tisch. Das Bild zeigte zwei lachende Jungen. Edmund und ihn.
Er erinnerte sich noch sehr gut daran, wann der Schnappschuss entstanden war. Im Internat hatte ein Fußballspiel stattgefunden. Sein Bruder hatte zwei Tore geschossen und war der Held des Spiels. Was niemanden überrascht hatte. Aber dass der streberhafte Mark Belmont den Ball ebenfalls ins gegnerische Netz befördert hatte, war außergewöhnlich gewesen.
Und das Beste überhaupt war gewesen, dass seine Mutter gesehen hatte, wie er den Siegtreffer erzielt hatte. Das Foto stammte auch von ihr. Wenn immer sie es irgendwie hatte einrichten können, war sie zu den Schulsportfesten gekommen.
Natürlich hatte Edmund ihn einen Angeber genannt. Vielleicht zu Recht. Er hatte zumindest einem Elternteil beweisen wollen, dass er sportlich sein konnte, wenn er nur wollte.
Mark atmete tief ein. Als Lexi die Hand nach dem Bild ausstreckte, nahm er es und legte es in die Kiste zurück. Er war noch nicht bereit, sich diesem Teil der Familiengeschichte zu stellen. Doch Lexi holte es wieder heraus.
„Ist das dein Bruder?“
„Ja“, antwortete er nach kurzem Zögern. „Edmund war achtzehn Monate älter als ich. Das Foto ist im Internat nach einem Fußballspiel geschossen worden. Die Belmont-Brüder hatten gerade alle drei Tore erzielt. Wir waren die Helden des Tages.“
Er schwieg und bemerkte, dass sie reglos dastand. Bis dahin war ihm nicht bewusst gewesen, dass sie sich in den letzten Stunden immer irgendwie bewegt hatte. Jetzt rührte sie sich nicht und wartete darauf, dass er ihr von Edmund erzählte. Nein, es ist noch zu früh, dachte er, während er ihr das Bild abnahm und es wieder in die Kiste legte.
„Er starb vor sieben Jahren bei einem Polospiel in Argentinien“, erklärte er. Mitfühlend strich ihm Lexi über den Handrücken.
„Deine arme Mutter“, erwiderte sie dann leise, und Mark sah sie an. Aufmerksam betrachtete sie ihn, als würde sie in seinem Gesicht etwas suchen. „Es muss ihr das Herz gebrochen haben. Ich kann mir nicht vorstellen, wie es ist, ein Kind großzuziehen und es danach zu verlieren.“ Sie senkte den Blick auf die Sammelmappe, in der ganz oben ein Bild seiner Mutter lag.
Es war ein Schnappschuss, den er selbst von ihr gemacht hatte. Es zeigte sie auf einem Dorffest, wie sie an einem Stand Kuchen verkaufte. Sie trug ein schlichtes geblümtes Sommerkleid und ein Gänseblümchen hinterm Ohr. Was sie aber wirklich bezaubernd erscheinen ließ, war das Glück, das sie ausstrahlte.
Ja, Fotos von seiner Mutter anzuschauen, war so schwer, wie er befürchtet hatte. Mark wappnete sich innerlich. Bestimmt würde Lexi sich gleich erkundigen, wie es dazu gekommen war, dass die berühmte Crystal Leighton auf einem Dorffest Kuchen verkaufte. Doch dann überraschte sie ihn mit einer ganz anderen Frage.
„Wie alt ist deine Schwester?“
„Cassie? Sie ist siebenundzwanzig. Warum willst du das wissen?“
„Weil ich mit ihr über Edmund reden muss. Mir ist klar, dass sie viel jünger ist. Aber sie erinnert sich sicher sehr gut an
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