Romana Extra Band 1
ihren Bruder.“
„Ich ebenfalls. Wir waren fast wie Zwillinge.“
„Genau das ist der Punkt. Du bist zu nah dran. Du kannst unmöglich objektiv sein. Was ich auch gar nicht von dir erwarte. Er war dein bester Freund, und dann hast du ihn verloren. Das ist hart. Du musst ihn schrecklich vermissen“, sagte sie leise und begann, auf ihrer Unterlippe zu kauen.
Mark erbebte, was Lexi nicht verborgen blieb. Sie lächelte verständnisvoll und sah absichtlich zur Seite, als wollte sie ihm Zeit geben, sich zu fangen. Eine großzügige Geste, die ihn allerdings nicht wütender hätte machen können.
Wie konnte diese Frau, die ihn noch keine vierundzwanzig Stunden kannte, auch nur annehmen, dass er unfähig war, sich zu beherrschen? Dass er die selbst gestellte Aufgabe nicht erfüllen konnte wegen der blöden Gefühle in seinem Herzen, die er seit Jahren unterdrückte?
Er hatte leidvoll gelernt, dass die Belmont-Männer nicht über Edmund redeten oder darüber, wie sein Tod sie alle voneinander trennte. Stattdessen erwartete man von ihnen, die zusätzlichen Pflichten zu schultern und weiterzuleben, als hätte es Edmund nie gegeben.
Lexi schaute ihn wieder an, und er bemerkte, dass ihre faszinierenden grauvioletten Augen mit den herrlich langen und dichten Wimpern verdächtig glitzerten. Er konnte seinen Blick nicht von ihr wenden und sie ihren offenbar auch nicht von ihm.
Es waren dieselben Augen, die ihn auf dem Flur des Krankenhauses schockiert angesehen hatten, in denen sich jetzt Mitgefühl und Wärme spiegelten. Seine Mutter hatte immer gesagt, dass die Augen das Fenster zum Herzen seien. Wenn sie recht hatte, besaß Lexi Sloane ein außergewöhnliches Herz.
Dennoch kam er nicht um die Tatsache herum, dass diese Augen ihn an einen Ort erinnerten, der mit einer schrecklichen Wahrheit verbunden war: Er hatte versagt. Er hatte es nicht geschafft, seine Mutter zu beschützen. Es war ihm nicht gelungen, Edmund zu ersetzen. Er hatte seine Eltern im Stich gelassen.
„Wie machst du das? Wie kannst du dir mit diesem Job deinen Lebensunterhalt verdienen? Bereitet es dir irgendein krankes Vergnügen, dich mit dem Leid anderer Leute zu befassen? Oder hilft dir der Schmerz dieser Menschen dabei, dass sich dein eigenes Leben besser anfühlt? Bitte sag es mir, denn ich verstehe es nicht.“
Mark merkte, dass er zitterte. Und seine Unfähigkeit, sich zu beherrschen, ärgerte ihn so sehr, dass er sich umwandte und den Raum verließ. Er ging nach unten, öffnete die Terrassentür und trat nach draußen.
Herzlichen Glückwunsch, das war eine Glanzleistung. Er hatte seine Probleme die nächstbeste Person spüren lassen und sich an ihr abreagiert. Genauso wie es sein Vater tun würde. Mark schloss die Augen und zwang sich, ruhig zu atmen. Nach einer gefühlten Ewigkeit hörte er Lexi kommen. Sie stellte sich neben ihn ans Geländer und blickte wie er zu den Olivenbäumen.
„Ich arbeite nicht als Ghostwriterin, weil der Job mir irgendein krankes Vergnügen bereitet. Natürlich verdiene ich mein Geld damit. Und ich helfe meinen Klienten dabei, niederzuschreiben, wie sie die Schicksalsschläge verwunden und sich zu den Menschen entwickelt haben, die sie sind. Darüber möchten die Leute lesen.“ Sie wandte sich zu ihm. „Es stimmte, als ich dir gesagt habe, dass ich schon immer gern über das Leben anderer Personen gelesen habe. Ich liebe es, Menschen und ihre Geschichten kennenzulernen.“
Sie klopfte mit den Fingern auf das Holzgeländer. „Falls du es nicht bemerkt hast … Jede Familie auf der Welt erfährt Kummer und Leid, und jeder Einzelne von uns muss mit Schrecklichem fertig werden, das sein Leben für immer verändert. Es gibt kein Entrinnen. Wie wir damit umgehen, macht uns zu den Personen, die wir sind. Das ist alles.“
„Das ist alles?“ Mark schüttelte den Kopf. „Wann bist du zu einer Expertin geworden, die für andere Leute Ordnung in deren Leben und Geschichten bringt? Du bist selbst wohl kaum perfekt. Nicht bei dem Vater.“
Die Lufttemperatur schien sofort um zehn Grad zu fallen. Der kühle Wind wehte Mark ins Gesicht und weckte ihn auf. Er hatte nicht bitter oder brutal klingen wollen. Und nachdem ihn eine Welle unterdrückter Gefühle überrollt hatte, konnte er sich allmählich wieder entspannen.
„Entschuldige meinen Ausbruch. Er war ungerecht und unnötig. Ich dachte, wir könnten den Vorfall in der Klinik hinter uns lassen. Aber da habe ich mich wohl geirrt. Solltest du nach meinem grob
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