Romana Extra Band 2
fiel noch ein anderes Bild heraus – ein ziemlich abgegriffenes Foto, das sie immer mit sich herumtrug. Es zeigte einen Mann und eine Frau in historischen Kostümen, die sich tief in die Augen schauten.
„So, bitte.“ Travis stellte Kaffee und Brötchen auf den Tisch. „Sie wirken ein bisschen ruhiger. Das freut mich.“
„Bitte entschuldigen Sie noch einmal meine Unbeherrschtheit“, sagte Charlene zerknirscht. „Glauben Sie mir, ich wollte Ihnen nicht wehtun.“
„Das weiß ich. Machen Sie sich keine Sorgen – ich bin nicht so ein Weichei, das sich über solche Sachen aufregt. Und Sie sind nicht das erste Mädchen, das mir … aber lassen wir das. Wie dem auch sei, heute wird nicht gedreht. Wir proben nur, deshalb ist es auch nicht schlimm, wenn meine Backe ein bisschen gerötet ist.“
Charlene war erleichtert darüber, dass er ihr den Ausrutscher offenbar wirklich nicht übel nahm. Sie merkte, dass sie sich langsam entspannte.
Travis lächelte sie an. „So, jetzt würde ich sehr gern wissen, was Sie hierher geführt hat. Wollten Sie Lee treffen?“
Sie nickte verlegen.
„Vielleicht wäre es besser gewesen, ihm vorher Bescheid zu sagen?“
„Das habe ich ja versucht. Aber er hat einfach nicht zurückgerufen.“
Travis wahrte ein taktvolles Schweigen. „Kennen Sie ihn gut?“, fragte er dann neugierig.
„Wir haben zusammen auf der Bühne gestanden.“
„Ach, Sie sind Schauspielerin?“
Charlene schüttelte den Kopf. „Nicht beruflich. Ich arbeite in einer Bank, aber in meiner Freizeit bin ich Mitglied einer Laienspielgruppe. Bei dieser Gelegenheit habe ich auch Lee kennengelernt.“
Travis nickte. „Verstehe. In welchem Stück seid ihr denn aufgetreten?“
Charlene zeigte ihm das Foto. „Im ‚Mittsommernachtstraum‘.“
Er sah sie überrascht an. „Lee hat in einem Stück von Shakespeare mitgespielt?“
Sie nickte. „Ja, er war Demetrius und ich Helena.“
Helena, die unglücklich in Demetrius verliebt war. Travis sah sich das Foto an, dann betrachtete er nachdenklich die junge Frau vor ihm. Sie war groß und hatte langes, dunkles Haar. Keine Schönheit, nicht einmal besonders hübsch. Ihre Züge waren klassisch, die Haltung ein wenig distanziert.
Interessant, dachte er. Keine Frau, in die ein Mann sich sofort verlieben würde. Schon gar nicht ein Mann wie Lee, den Travis ziemlich oberflächlich fand.
Irgendwie tat sie ihm leid. Er wusste instinktiv, dass ihr eine große Enttäuschung bevorstand.
„Danke für den Kaffee, aber ich sollte jetzt gehen.“
„Wohin denn? Nein, Sie werden diesen Tag mit mir verbringen. Ich bestehe darauf.“ Er stand auf. „So, jetzt muss ich zur Probe. Und Sie werden mich begleiten.“
Charlene sah ihn überrascht an. „Ich? Darf ich das denn?“
„Natürlich. Sie sind mein Gast.“ Er streckte die Hand aus und zog Charlene hoch. Dann nahm er ihren Arm.
„Es ist Zeit für unseren Auftritt.“
2. KAPITEL
Als sie den Proberaum betraten, sah der Regisseur sie erstaunt an. Aber Travis’ gewinnendes Lächeln und die Tatsache, dass er den Arm um Charlenes Hüfte gelegt hatte, waren Antwort genug.
Travis sorgte dafür, dass Charlene einen guten Platz bekam. Dann schlug er sein Drehbuch auf.
„Welche Szene proben wir heute?“
„Du versuchst, Myra davon zu überzeugen, dass sie die Finger von Doktor Baker lassen soll. Baker bekommt das zufällig mit und – ah, Lee, hallo, Penny. Da seid ihr ja!“
Charlene zuckte zusammen, als sie Lee im Türrahmen stehen sah. Sie wandte den Kopf ab, aber nicht schnell genug.
Lee hatte sie gesehen.
Er hatte sie erkannt.
Das ist nur die Überraschung, dachte sie. Bestimmt würde er im nächsten Moment zu ihr eilen, um sie zu begrüßen.
Aber das tat er nicht, im Gegenteil. Er stand wie vom Donner gerührt da und wirkte eher verwirrt als erfreut.
„Okay, Lee“, sagte der Regisseur in diesem Augenblick. „Wir machen den zweiten Take mit dir, um deine Reaktion zu sehen. Travis, dein erster Satz an Myra lautet: ‚Vergessen Sie Doktor Baker‘.“
Die Schauspieler begaben sich auf ihre Positionen, und Travis begann.
Sie probten die Szene mehrmals. Lee sah dabei nicht einmal in Charlenes Richtung. Travis schien es zu bemerken, denn als sie eine kleine Pause machten, ging er zu ihm und redete eindringlich auf ihn ein. Charlene konnte nicht hören, was er zu ihm sagte. Wenig später kam Lee dann zu ihr herüber.
Sein höfliches Lächeln traf sie wie ein Stich mitten ins Herz.
„Hallo,
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