Romana Extra Band 2
und ließ die Gesichter besonders formell und streng aussehen. Alle abgebildeten Ahnen der Familie Alfere-Tiziano hatten die gleichen großen dunklen Augen und aristokratischen Züge, seltsamerweise sah jedoch keiner im Entferntesten wie Luigi aus. Und noch etwas verwirrte Rissa: das Wappenschild über der Eingangstür. Aus dem Motto wurde sie nicht schlau, aber es enthielt eindeutig den Namen „Michaeli“.
Weder Luigi noch seine Mutter hatten ihn jemals erwähnt. Wahrscheinlich war Michaeli der Familienname irgendeiner bedauernswerten, ahnungslosen jungen Frau, die wie sie selbst ausgewählt worden war, um „den Genpool zu erweitern“, wie Luigi es ausgedrückt hatte. Und nachdem sie den kostbaren männlichen Erben zur Welt gebracht hatte, war sie wohl in den Hintergrund gedrängt worden.
Rissa hatte sich so schuldig gefühlt, weil sie Luigi keinen Erben geschenkt hatte. Ihr Mann hatte sich verzehrt vor Enttäuschung.
Zwei schlaflose Nächte machten sich bemerkbar, und die Lider wurden ihr schwer. Rissa stand auf, um wieder nach oben ins Bett zu gehen. Bevor sie das Licht ausmachte, warf sie einen letzten Blick auf die Ahnengalerie.
All diese Gesichter kamen ihr wirklich seltsam bekannt vor. Wenn ihr nur einfallen würde, warum …
Sonnenlicht schien durch die Fenster in ihr Zimmer, als Rissa am nächsten Morgen die Augen öffnete. Dann wurde ihr bewusst, dass noch etwas anderes als die Helligkeit sie geweckt hatte. Im Erdgeschoss war irgendetwas im Gange. Schnell zog sie ihren Morgenmantel an und lief nach unten. Livia wischte den Fußboden, während Kater Fabio aufsässig aus der Kaminecke hervorguckte.
„ Scusi, signora. Ich wollte Ihnen einen Kaffee bringen und bin über Fabio gestolpert. Dabei habe ich die Tasse fallen lassen.“
„Machen Sie sich deswegen keine Gedanken“, tat Rissa die Entschuldigung der Haushälterin ab. „Normalerweise schlafe ich nie so lange. Sie haben mir einen Gefallen getan, indem Sie mich geweckt haben.“
„Nein, habe ich nicht. Ich wollte Ihnen nämlich sagen, dass ich noch einmal ins Dorf muss. Wir hatten in den frühen Morgenstunden einen Stromausfall, deshalb war kein frisches Brot fertig, als ich das erste Mal einkaufen war.“
„Ich werde gehen, Livia“, bot Rissa an. „Nachdem ich verschlafen habe, brauche ich jetzt Bewegung, um einen klaren Kopf zu bekommen.“
Schnell duschte sie, zog Hüftjeans und ein knappes gestreiftes Top an und machte sich auf den Weg. Bis ins Dorf waren es zehn Gehminuten die früher sicher einmal prächtige Auffahrt hinunter. Die Natur hatte sie inzwischen zurückerobert, sodass nur noch ein schmaler Pfad übrig war.
Monte Piccolos Dorfplatz war voller Menschen, die über den Stromausfall sprachen und sich mit Vorräten eindeckten, für den Fall, dass es einen weiteren geben sollte. Niemand beachtete Rissa, was sie nicht störte. Es war Markttag, und sie lief alle Stände ab, kaufte Eier, einen Laib Brot und eine Focaccia. Als sie auf einen Obst- und Gemüsestand zusteuerte, sah sie nur wenige Meter entfernt Antonio, der sich mit einer bildschönen jungen Frau unterhielt. Rissa zog sich neben die Seitenmarkise des nächsten Stands zurück und beobachtete die beiden. Was die beiden sagten, konnte sie nicht verstehen, aber das war auch nicht nötig. Antonios charmantes Lächeln, während er seiner Begleiterin den Arm streichelte, verriet ihr, dass sie nicht einfach miteinander plauderten.
Ihr brannte das Gesicht. Rissa ging weiter und konzentrierte sich auf ihre Einkäufe. Sie suchte ein halbes Dutzend Fleischtomaten und verschiedene Salate aus, bevor sie einen Blick dorthin riskierte, wo Antonio mit seiner Freundin gestanden hatte. Sie waren nicht mehr da. Zu einem intimeren Treffpunkt aufgebrochen? Rissa redete sich ein, dass es ihr gleichgültig sei, dennoch traten ihr Tränen in die Augen. Kurz darauf hörte sie ganz in der Nähe seine tiefe Stimme und musste sich einfach umdrehen. Er redete mit dem Standinhaber, bei dem sie gerade gekauft hatte. Die Frau war verschwunden. Rissa überlegte, ob sie zu ihm gehen und ihn ansprechen sollte. Aber es wäre unhöflich, ihn bei einem Gespräch mit einem Landsmann zu stören. Sie mischte sich unter die Leute, bevor sich Antonio umsehen und sie entdecken konnte.
4. KAPITEL
„Wo wohnen Sie?“, fragte Rissa später an diesem Tag, als Antonio und sie bei Livias Tomaten-Basilikum-Salat die Renovierungspläne besprachen.
„Nicht weit weg.“ Er zeigte in Richtung Arno.
„Wollten
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