Romana Extra Band 2
erfunden, um leichtgläubige Einheimische zu täuschen.“
„Natürlich! Allerdings ist es zu einem großen Erdbeben in den Vierzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts gekommen, genau zu dem Zeitpunkt, als die Eigentümer aus dem Palazzo Tiziano vertrieben wurden. Für die Einheimischen ist es glimpflich abgegangen, und es war reiner Zufall, aber einer, der der alten Drohung neuen Schwung verlieh.“
„Haben wir hier Erdbeben?“
„Ja, wenn auch selten. Als der exzentrische Conte Angelo den Besitz aufgegeben hatte, um nach Rom zu pilgern, wurde das Dorf so erschüttert, dass bis auf die Kirche und den Palazzo alle Gebäude einstürzten.“ Antonio zuckte die Schultern. „Holzhäuser werden so schnell zerstört, wie sie gebaut werden. Trotzdem, den Palazzo ohne einen Tiziano zurückzulassen, ist das Risiko vielleicht nicht wert. Jedenfalls, wenn man an diese Dinge glaubt.“
„Oh, nein!“ Rissa kam ein schrecklicher Gedanke. „Ich bin nur durch Heirat eine Tiziano. Zählt das?“
„Wer weiß? Das alte Ammenmärchen ist vermutlich ebenso wenig wahr wie der Tiziano-Fluch.“
Also das war zu viel. „Signor Mazzini hat niemals einen Fluch erwähnt.“
„Das würde er auch nicht tun. Er will Sie heiraten und seinen Plan vollenden: eine Tiziano im Palazzo und er als Herr des Dorfes. Und da soll der Fluch ins Spiel kommen. Es heißt, dass eine treulose Ehefrau, die hier wohnt, das Unglück anzieht.“
Irgendwie klang es lächerlich. Aber für solche Dinge gab es oft einen historischen Grund … Rissa nahm sich zusammen. Für diese Art Geschichten hatte sie doch nie etwas übrig gehabt. „Was Sie Signor Mazzini unterstellen, ist ebenso albern wie das mit dem Erdbeben und dem Fluch. Können wir jetzt anfangen zu arbeiten?“
„Sind Sie denn dafür gerüstet?“, spottete Antonio. „Wo sind, zum Beispiel, Notizbuch und Kugelschreiber?“
Wortlos zog Rissa beides aus ihren Jeanstaschen, dann drehte sie sich auf dem Absatz um und ging davon.
Antonio nahm sich einen Moment Zeit, um ihre kurvenreiche Figur zu bewundern. Bis sie ihm über die Schulter einen schalkhaften Blick zuwarf.
„Na los, kommen Sie schon!“
Da wusste er, dass er bei ihrer ersten Begegnung seinem Instinkt hätte vertrauen und sie sofort auf das Bett in der Kammer hätte werfen sollen. Ihre dunklen weit geöffneten Pupillen und ihr verführerisches Lächeln sagten ihm, dass sie keinen Widerstand geleistet hätte, wenn er sie erst mit den Fingerspitzen und dann mit dem Mund erforscht hätte …
Sie ist genau wie alle anderen Frauen, ermahnte sich Antonio. Wenn sie erfahren würde, wer er wirklich war, würde sie auf seine Liebkosungen nur mit „Gib mir, gib mir, gib mir“ reagieren – Geld, Schmuck und Kreditkarten. Antonio schüttelte sich und folgte der Contessa. Keine Frau war echte Gefühle wert. Sein einziges Interesse musste dem Erbe seiner Familie gelten.
Beim Anblick von Antonio, der sich durch ein Gewirr aus Olivenbäumen und Kletterpflanzen kämpfte, sah Rissa im Geiste plötzlich vor sich, wie er sich auf sie stürzen und sie hier auf dem trockenen staubigen Boden nehmen würde. Wie er ihr T-Shirt hochschieben und … Sie legte die Hand auf die Stirn. Ihr wurde schwindlig, während sie sich seine sinnliche Kraft und völlige Dominanz vorstellte.
„Ist die Sonne zu viel für Sie, Contessa?“
„Nein, ich finde es nur schwierig, all die Fakten und Zahlen aufzunehmen, mit denen Sie mich überschütten“, log Rissa und fächelte sich mit ihrem Notizbuch Luft zu.
„Kommen Sie, und setzen Sie sich in den Schatten, während ich den Zustand der Terrassenmauern überprüfe.“ Antonio entwickelte einen neuen Plan. Mit Ammenmärchen konnte er die Contessa anscheinend nicht erschrecken, aber vielleicht würde er sie von hier verscheuchen, wenn er sie davon überzeugte, dass die Instandsetzung des Anwesens ein wahres Mammutprojekt war. Bestimmt wollte sie sich lieber mit der Innenausstattung beschäftigen als mit Erdarbeiten, Strom-, Gas- und Wasserleitungen.
Während Antonio in seine Arbeit vertieft war, konzentrierte sich Rissa auf ihre eigenen Berechnungen. Luigi war dagegen gewesen, dass sie berufstätig war, doch jetzt konnte sie nutzen, was sie während des Marketingstudiums gelernt hatte. Am schwierigsten würde es sein, Signor Mazzini und Antonio von ihren Plänen zu überzeugen.
Allein bei dem Gedanken an Antonio durchflutete sie Verlangen. Es war Wahnsinn. Er musste nicht einmal mehr vor ihr stehen, um diese
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