Romana Extra Band 2
bewahren.“ Rissa schüttelte traurig den Kopf.
„Meine Mutter wurde in Neapel geboren und mochte es nicht, daran erinnert zu werden, was hätte sein können. Ich habe mir aber immer gern die Geschichten meiner Großmutter über Monte Piccolo und den Palazzo Tiziano angehört. Schon als Kind war ich fest entschlossen, den Besitz meiner Familie irgendwann zurückzugewinnen. Es war einer dieser vagen Träume, die zu verwirklichen einem das Leben niemals die Zeit oder Gelegenheit gibt. Als ich dann in der Zeitung gelesen habe, dass der letzte Alfere tot ist, habe ich meine Chance gesehen.“
„Warum hast du mir das nicht alles gleich am Anfang erzählt, Antonio? Für ‚verzeihen und vergessen‘ ist die Angelegenheit wohl kaum geeignet. Deine Familie ist gewaltsam aus dem Palazzo Tiziano vertrieben worden, und Luigis Familie hatte überhaupt keinen Anspruch darauf!“, empörte sich Rissa stellvertretend für die Familie Michaeli-Tiziano.
„Ich wollte nicht schlecht von deinem Ehemann reden. Er wurde lange nach jenen Ereignissen geboren, und ich auch. Keiner von uns beiden war in der Lage, moralisch auf dem hohen Ross zu sitzen.“
Rissa war sich nicht so sicher. „Jetzt, da ich weiß, was das für Leute waren, wundert es mich nicht, dass Luigis Mutter so gemein zu mir war.“
„In jeder Familie gibt es schwarze Schafe.“
„Ich wette, in deiner nicht.“
Fast gelang es ihm zu lachen. „Erinnerst du dich an das Reiterporträt zu Hause im großen Salon?“
Obwohl sie so viele Bilder abgestaubt hatte, wusste Rissa genau, welches er meinte. Sie dachte daran, was Antonio und sie auf dem Tisch unterhalb des Gemäldes getrieben hatten. Errötend nickte sie.
„Das ist Conte Lorenzo, der auf seine Jagdhunde zeigt.“
Stirnrunzelnd entsann sich Rissa der grässlichen Szene. „Sie reißen ein Reh in Stücke.“
„Genau. Conte Lorenzo sitzt auf seinem Pferd und bewundert sie.“
„Entsetzlich. Und dabei war er ein so attraktiver Mann …“ Rissa betrachtete Antonio prüfend. „Jetzt, da ich weiß, dass ihr verwandt seid, erkenne ich die Ähnlichkeit zwischen euch. Immer wenn ich mir die Ahnenbilder angesehen habe, sind mir die Gesichter vertraut vorgekommen. Zum Glück begeisterst du dich nicht für ‚Sportarten‘, die mit dem Tod eines Tieres enden, Antonio. Tust du doch nicht, oder?“, fügte sie schnell hinzu. So vieles wusste sie immer noch nicht über ihn.
„Nein. Jedenfalls ist dieses Bild von Lorenzo eine Allegorie. Seine erste Frau hatte eine Affäre, deshalb hat er seine Hunde auf sie gehetzt.“
„Oh, die arme Frau!“, flüsterte Rissa schaudernd.
„Contessa Lucrezia war eine geborene Alfere. Meine Großmutter hat mir all die Familiengeschichten erzählt, als ich noch ein Kind war. Das erste Mal durchs Haus zu gehen und meine Erinnerungen mit den Porträts zu vergleichen war ein echtes Vergnügen. Lucrezia muss eine Vorfahrin deines verstorbenen Mannes gewesen sein. Falls wir noch irgendwo ein Bild von ihr finden, kannst du vielleicht eine Ähnlichkeit zwischen ihr und deiner Laura entdecken.“
„Nenn sie nicht ‚meine Laura‘! Ich will nicht, dass sie oder Luigi jemals wieder erwähnt werden.“
„Bist du sicher?“
Nervös senkte Rissa den Blick. „Ja.“
Antonio kniete vor ihr nieder und hob ihr Kinn an, sodass sie ihn ansehen musste. „Dann heirate mich, und ich werde dich bis hin zum Namen Alfere von allen Dämonen der Vergangenheit befreien.“
„Es ist der Palazzo Tiziano, den du begehrst“, sagte sie langsam und zurückhaltend.
Sanft streichelte er ihre Wange und unwillkürlich erbebte Rissa. Er wird lügen und behaupten, nein, er liebe mich und nicht den Landsitz, dachte sie. Eine Ewigkeit schien zu vergehen, bis er antwortete.
„Ja, Larissa. Ich kann es nicht leugnen. Immer wollte ich den Palazzo Tiziano mehr als alles andere im Leben. Und zwar von dem Moment an, als ich alt genug war, um zu begreifen, was für ein großes Unrecht meiner Familie von den Alferes zugefügt worden war. Bis ich dich kennengelernt habe.“ Antonio stand auf, zog Rissa hoch und nahm sie in die Arme.
Während er sie herrlich lange und zärtlich küsste, vergaß sie alles andere, aber sobald er sie losließ, kehrten die Zweifel zurück. „Du konntest es nicht erwarten, von mir wegzukommen. Ich habe dir erzählt, ich hätte mich zum Verkauf des Anwesens entschlossen, und du bist sofort davongestürzt.“
Dies war die Feuerprobe. Antonio zögerte nicht. „Im Nachhinein sehe ich
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