Romana Extra Band 3
seine Assistentin gekündigt, und jetzt sind wir unter einem riesigen Berg Arbeit begraben, denn wir müssen den Nachlass seines Vaters ordnen. Und deshalb muss ich ständig Überstunden machen.“
„Wirklich?“, murmelte Penny. Schön zu hören, dass auch ihr Feind Probleme hatte. Hoffentlich ging es ihm richtig mies. Verdient hätte er es, nach alldem, was seine Familie ihrem Vater angetan hatte. Penny beobachtete, wie Shauna in den Papieren auf ihrem Tisch wühlte.
„Wo zum Teufel habe ich bloß diese Akten hingelegt. Eben lagen sie noch hier. Sehen Sie sie vielleicht? Es ist ein grüner Ordner.“
Penny kam nicht umhin, das Mädchen mit seinem sorglosen Geplauder und der liebenswert chaotischen Art zu mögen.
„Dem Himmel sei Dank!“, rief Shauna schließlich aus. „Ups, ich habe seinen Kaffee vergessen. Der ist jetzt sicher kalt. Wieder ein Minuspunkt für mich.“
„Sie können ja auch nicht alles tun“, munterte Penny sie auf.
„Stimmt.“ Shauna lächelte sie an. „Deshalb bin ich ja so froh, dass Sie uns unterstützen wollen.“
Diese Worte kamen so herzlich, dass Penny beinahe ein schlechtes Gewissen hatte, weil sie nicht die erwartete Mildred Bancroft war.
„Shauna, wo bleibst du denn?“ Lucas Darien erschien im Türrahmen.
Penny ließ ihren Blick über seine Erscheinung gleiten, von der glänzend schwarzen Schuhspitze über seinen dunklen Anzug bis zu seinem schwarzen Haar. Er war groß und schlank. Dennoch wirkten seine Schultern breit. Aus dunklen Augen sah er Penny durchdringend an. Penny bekam eine Gänsehaut. Lucas Darien war nicht im Entferntesten der Mann, den sie sich vorgestellt hatte. Der junge Mann, der vor ihr stand, war absolut umwerfend. Penny schätzte ihn auf sechsunddreißig. Seine schwarzen Augen mit dem schmelzenden Blick verliehen seinem markanten Gesicht einen warmen, freundlichen Ausdruck. Sein kräftiges Kinn zeugte von Stärke, aber seine Lippen hatten einen sinnlichen Schwung. Penny fragte sich, wie es wäre, von ihm geküsst zu werden … Aber sie durfte nicht vergessen, warum sie hier war. Lucas Darien war ihr Feind.
„Das ist Mildred Bancroft, Lucas“, stellte Shauna sie vor. „Deine neue Assistentin.“
„Wirklich?“ Überrascht blitzte es in seinen dunklen Augen auf. „Ich hatte Sie mir ganz anders vorgestellt.“ Er musterte sie unverhohlen, sodass Penny das Blut in die Wangen schoss. Wie konnte er es wagen, sie so anzusehen?
„Sie sind auch nicht gerade das, was ich mir vorgestellt habe“, gab sie zurück und reckte das Kinn.
„Was haben Sie denn erwartet?“
Mit dieser Gegenfrage hatte sie nicht gerechnet, genauso wenig mit dem Lächeln, das seine Lippen umspielte.
„Mhm …“ Sie zuckte mit den Schultern. In Wirklichkeit hatte sie gedacht, dass er mehr seinem Vater glich. Penny hatte Lucas’ Vater zwei Mal gesehen. Sie hatte ihn groß und gut aussehend in Erinnerung, aber da hörte die Ähnlichkeit auch schon auf. Lawrence Darien war ein typischer Brite gewesen, mit hellblondem Haar, blauen Augen und einer aristokratischen Nase. Lucas geriet ganz offensichtlich nach seiner spanischen Mutter. Vielleicht war er ja auch mitfühlender als sein Vater …
„Sie sind jünger, als ich dachte“, improvisierte Penny. Sie durfte ihre wahre Identität erst preisgeben, wenn sie es bis in sein Büro geschafft hatte.
„Sonderbar. Das Gleiche habe ich von Ihnen gedacht.“ Lucas lächelte. „Dem Lebenslauf zufolge, den die Agentur geschickt hat, habe ich eine Dame von mindestens fünfzig erwartet.“
Penny errötete. Er ahnte sicher längst, dass sie gar nicht Mildred war. „Nun … ich … kann Ihnen alles erklären.“
„Shauna, bring uns bitte einen Kaffee, wenn du Zeit hast.“ Lucas zwinkerte seiner Sekretärin zu. „Kommen Sie doch in mein Büro, Miss Bancroft.“
Das war vielversprechend. Er wusste, dass sie nicht seine Assistentin war und schickte sie trotzdem nicht fort.
„Danke.“ Penny schenkte ihm ihr süßestes Lächeln, als sie an ihm vorbei in sein Büro trat. Er erwiderte es jedoch nicht.
Das war ungewöhnlich. Penny war eine attraktive Frau, achtundzwanzig Jahre alt, mit goldblondem langem Haar, großen grünen Augen und einer zierlichen, aber wohlgeformten Figur. Sie war es gewöhnt, dass Männer ihr Lächeln erwiderten. Vielleicht würde ihre Mission doch nicht so leicht sein.
Der riesige Schreibtisch in der Mitte des Büros war von einem Aktenberg überladen. An der Wand standen mehrere Rollschränke, deren
Weitere Kostenlose Bücher