Romana Extra Band 3
nahm Mel fast den Atem. Dazu hatte sie im Vorbeigehen bemerkt, wie über ihre Mutter getuschelt wurde.
Was wird sie jetzt tun? Was hat sie vor, nachdem ihr Wohltäter gestorben ist?
Die bösen Zungen würden niemals schweigen. Ihre Mutter war einfach zu schön und hatte am Grab zu viel Aufsehen erregt. Kaum eine andere Frau hätte einen Mann von Gregory Langdons Format so nachhaltig bezaubern können. Sich zu verlieben war eine Sache, doch eine Beziehung aufrechtzuerhalten, eine andere.
Jetzt würde sich alles ändern. Nichts würde mehr sein wie früher.
Am einen Ende des großen Wohnzimmers unterhielt sich Dev mit Angehörigen der O’Hare-Familie. Die rothaarige Siobhan, einzige Tochter der Familie, himmelte ihn an, als gäbe es keinen anderen Mann auf der Welt. Mel nahm ihr das nicht übel. Siobhan war lieb und warmherzig und wäre die perfekte Ehefrau für Dev. Die O’Hares besaßen viel Land und gehörten, wie die Langdons und Devereauxs, zu den maßgeblichen Pionierfamilien.
Siobhan war im Outback aufgewachsen und hatte in Sydney studiert. Dev hätte keine bessere Wahl treffen können. Mel wusste, dass alle Anwesenden diese Ansicht teilten, und sie selbst dachte ebenso. Die „Beziehung“ ihrer Mutter zu Gregory Langdon hatte auch auf Mels Verhältnis zu Dev abgefärbt. Sosehr sie ihn liebte und insgeheim um ihn kämpfte – die richtige Ehefrau war sie nicht für ihn. Dev brauchte eine Frau mit gutem Leumund und keine, über die so viel schmutzige Wäsche gewaschen wurde.
Sie wollte gerade nach oben gehen, als Dev sich durch die Menge drängte. „Nun, wie geht es?“, wollte er wissen.
„Was sagst du zu deinen Gästen?“, antwortete Mel mit einer Gegenfrage. „Dies ist eine Feier für einen Verstorbenen, aber die meisten benehmen sich, als wären sie auf einer Party.“
„Das liegt am Alkohol“, erklärte Dev. „Hast du eine Ahnung, wo deine Mutter steckt?“
„Ich bin die Letzte, die du das fragen solltest.“
„Vielleicht packt sie schon, während wir hier sprechen.“
Mel zuckte die Schultern. „Ja, vielleicht.“ Die bittere Enttäuschung, die sie erlebt hatte, quälte sie immer noch. „Dein Großvater hat bestimmt gut für sie gesorgt.“
Dev nickte. „Einige Millionen werden es mindestens sein.“
„Und wie oft ist sie dafür mit ihm ins Bett gegangen? Was meinst du?“
„Ich glaube, dass sie ihren Wert kannte und sich teuer verkauft hat. Doch was bedeuten schon einige Millionen bei einem Milliardenvermögen?“ Dev sah in seinem maßgeschneiderten dunklen Anzug hinreißend aus. „Ich sollte dich wohl besser auf das vorbereiten, was noch kommt.“
„Worauf denn?“, fragte Mel ängstlich.
„Was für eine Frage! Gregory war dir sehr zugetan.“
„Du meinst, er hat auch an Sarinas Tochter gedacht?“
„Nenn es, wie du willst. Mein Großvater hat für Sarina gesorgt, und damit habe ich kein Problem. Dass du ebenfalls bedacht wurdest, erscheint mir nur folgerichtig. In jedem Fall musst du bei der Testamentseröffnung dabei sein.“
Es fiel Mel schwer, ruhig zu bleiben, zumal viele Gäste in ihre Richtung blickten. Sie war von allen freundlich begrüßt und zu ihrer Stellung bei „Greshams“ beglückwünscht worden. Für einige würde sie allerdings immer „die Tochter dieser Frau“ bleiben.
„Ich werde nicht dabei sein“, erklärte sie entschieden.
Dev nahm sie beim Arm. „Ich bin doch auch da. Das wird dir helfen.“
„Nein.“ Sie schüttelte energisch den Kopf. „Glaubst du, dass meine Mutter auftauchen wird? Mir hat sie nichts gesagt. Ich kenne sie überhaupt nicht mehr.“ Mel überlegte, ob sie Dev von dem heftigen Gespräch erzählen sollte, aber Ort und Zeitpunkt waren kaum dafür geeignet.
„Haben wir das jemals getan?“, fragte Dev zu ihrer Verwunderung. „Wie der Tod doch alles verändert! Ausgerechnet am Tag von Gregorys Beerdigung präsentiert sie sich in ihrer ganzen Schönheit.“
„Die Wirtschafterin war nur eine Rolle für sie.“
„Und dir hat sie dein bisheriges Leben lang etwas vorgemacht. Uns allen, wenn du so willst. Sie war eine erstklassige Haushälterin … das kann niemand bestreiten. Sie hat das Personal so gut geschult, dass es heute ohne sie auskam. Ihre Kündigung hat mich ziemlich überrascht.“
„Vielleicht wusste dein Vater Bescheid.“ Das hoffte Mel jedenfalls.
Dev schüttelte den Kopf. „Nein.“
Mel starrte auf den kostbaren Teppich, als wäre sie von dem Muster und den zarten Pastellfarben fasziniert.
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