Romana Extra Band 3
würden Kooraki verlassen.“
„Wohin hätten wir gehen sollen?“ Sarina sprach leise, obwohl die Tür zum Schlafzimmer dick genug war, um jeden Laut abzuhalten. „Meine Eltern hatten mich aus dem Haus geworfen.“
Mel presste beide Hände gegen die Schläfen. In ihrem Kopf drehte sich alles. „Ist das die Wahrheit, Mum?“, fragte sie. Bis jetzt hieß es immer, du habest dich retten müssen. War das bloß eine Erfindung? Ich frage mich inzwischen, ob nicht jedes Wort aus deinem Mund gelogen ist. Warum hat man dich hinausgeworfen … und warum bist du ausgerechnet hier gelandet? Australien ist groß. Du hättest in New South Wales bleiben können, anstatt Tausende von Kilometern zurückzulegen. Du und deine Geheimnisse! Willst du sie mit ins Grab nehmen? Du hast das Leben so kompliziert gemacht, dass ich nicht mehr weiß, was ich noch glauben soll. Du dagegen scheinst dich in deinem Lügengespinst wohlzufühlen. Mich schaudert es bei dem Gedanken, dass meine Mutter eine pathologische Lügnerin ist. Du hast mich nie an dich herangelassen … ebenso wenig wie Dad. Doch Gregory hast du deine tolle Geschichte erzählt, darauf würde ich wetten. Vermutlich im Bett. Wie hast du das fertiggebracht … und wann? Hast du schon in Maru Downs mit ihm geschlafen? Das würde mich keineswegs wundern. Gregory war dein großer Held … Nicht Dad.“
„Nein!“
Sarina widersprach so heftig, dass Mel zurückfuhr. „Nein?“ , fragte sie und hatte das Gefühl, langsam zu Eis zu erstarren. „Willst du damit andeuten, dass Gregory Langdon mein Vater ist? Ich bringe dich um, wenn das stimmt.“
Sarina bebte vor Wut. „Du bist verrückt!“, schrie sie und sank auf einen der antiken Stühle, die die Korridorwände schmückten. „Gregory war nicht dein Vater. Ich verlange, dass du dich entschuldigst, Amelia.“
„Dafür fehlt mir die Zeit, Mum. Ich bin zu sehr mit dem Rätsel beschäftigt, das du mir aufgibst. Ihr beide wart zu allem fähig. Mich hätte man bedauern müssen. Ich habe für dich gekämpft, obwohl ich noch ein Kind war. Warum hast du es nicht selbst getan? Es gibt genug starke Frauen, die das tun. Frauen, die nicht nur ein Kind zu versorgen haben. Du hättest sogar staatliche Unterstützung bekommen.“
Sarina war zu stolz, um darauf einzugehen. Nachdem sie sich mühsam gefasst hatte, war ihre Miene wie versteinert. „Wage es nicht, mich zu verurteilen“, sagte sie mit äußerster Verachtung. „Du hast kein Herz, Amelia. Irgendetwas stimmt nicht mit dir.“
„Natürlich. Es liegt wieder mal an mir.“
„Weil du keinen Respekt vor mir hast, und das dulde ich nicht. Ich habe gerade den Mann verloren, den ich von allen Menschen am meisten verehrte.“
Die Feststellung steigerte Mels Empörung. Sie sah ihre schöne Mutter kalt an und sagte: „Mach das mit dir selbst ab. Ich habe den Eindruck, dass du für Gregory mehr Tränen vergießen wirst als jemals für meinen Vater.“
Sarina verzog das Gesicht. „Ich habe um Mike geweint“, beteuerte sie. „Du glaubst, das Leben zu kennen, Amelia, aber du hast keine Ahnung.“
„Und wessen Schuld ist das, Mum? Warum hast du alle Fotos vernichtet? Alle Erinnerungen an deine Hochzeit und andere Gelegenheiten? Es gab nur noch Bilder von mir. Seltsam, nicht wahr? Du hast behauptet, das sei deine Art, mit dem Verlust fertig zu werden, aber das glaube ich nicht mehr. Dad war jung … ihr wart beide jung. Man sieht dir dein Alter bis heute nicht an. Wenn du dich anders kleiden und dein Haar modischer frisieren würdest, könntest du glatt als meine ältere Schwester durchgehen. Was hat dazu geführt, dass du dich von deiner Familie trennen musstest?“
„Das Leben schreibt unglaubliche Geschichten, Amelia.“ Sarina zeigte mit dem Finger auf Mel, um ihren Worten mehr Nachdruck zu verleihen. „Ich musste alle Brücken hinter mir abbrechen.“
Mel fragte sich, ob sie das alles wirklich erlebte. War es möglich, mit einem Menschen eng verbunden zu sein, ihn zu lieben und dann zu entdecken, dass man ihn gar nicht gekannt hatte? Nicht nur die Fotos waren verschwunden. Mel hatte auch nie einen Trauschein zu Gesicht bekommen. Das einzige Dokument, das sie kannte, war ihre Geburtsurkunde. Mike Norton war darauf als Vater eingetragen und Sarina Cavallaro-Norton als Mutter.
„Schäm dich, Mum“, sagte sie tieftraurig.
Sarina sah ihre Tochter eine Weile an. „Ich muss mich vor dir nicht rechtfertigen“, erklärte sie dann. „ Mein Leben ist nicht dein Leben …
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