Romana Extra Band 4 (German Edition)
dass sich dort draußen Rebellen herumtreiben. Aber hier im Palast kann mir nichts geschehen.“
„Dieser Palast ist mein Zuhause. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass aufständische Gruppen bis hierher vordringen, aber wenn sie es auf mich abgesehen haben, werden sie hier nach mir suchen. Deshalb werde ich Sie unter keinen Umständen alleine hier lassen.“
„Ich habe doch Azizah“, wandte sie ein.
„Das stimmt zwar, und auch Saleem wird hier sein, aber …“
„Saleem?“ Sie konnte sich nur schwer vorstellen, dass Khaleds Cousin besondere Anstrengungen unternehmen würde, um sie zu beschützen. Von Anfang an war er ihr mit Misstrauen begegnet, auch wenn sie nicht wusste, was sie ihm getan hatte. Wollte sie wirklich zwei Tage lang allein mit Saleem und seinen frostigen Blicken sein? „Kommt er denn nicht mit Ihnen?“, erkundigte sie sich zögernd.
Khaled schüttelte den Kopf. „Er muss sich um andere Dinge kümmern. Deshalb wird er hier im Palast bleiben.“
„Oh.“
„Mögen Sie ihn immer noch nicht?“
„Ich weiß nicht. Ich fühle mich in seiner Anwesenheit immer etwas unbehaglich“, erklärte Sapphy, „so als ob ich ihm nicht trauen könnte.“
„So wie Sie mir auch nicht vertrauen?“
Nein, ganz und gar nicht. Khaleds einfache Frage ließ sich ebenso einfach beantworten. Während sie Saleem voll und ganz misstraute und sich in seiner Gegenwart nicht wohlfühlte, verhielt es sich mit Khaled völlig anders. Sie stellte seine Motive infrage, sie ärgerte sich über seine Arroganz und über das Täuschungsmanöver, mit dem er sie hierher gelockt hatte. Aber am meisten misstraute sie in seiner Gegenwart sich selbst. Es war ihr Körper, der sich nach ihm sehnte, während ihr Verstand sich der Gefahr bewusst war, die von ihm ausging. Es war ihr Körper, der nach ihm verlangte.
Sie konnte nicht das Risiko eingehen, dass sie nicht in der Lage war, Khaled zu widerstehen. Vielleicht war es doch das Beste, mit Saleem im Palast zu bleiben.
Khaled wartete nicht auf ihre Antwort. „Wenn das so ist, werde ich Sie nicht alleine mit ihm lassen. Sie kommen mit mir.“
Panik stieg in ihr auf. „Aber …“
„Sapphire“, unterbrach er sie mit überraschend sanfter Stimme, „es ist schließlich nur eine Nacht. Was kann schon in einer einzigen Nacht passieren?“
Weniger als zwei Stunden später hatten sie die Stadt bereits hinter sich gelassen und befanden sich auf dem Weg in die Wüste, der schmale Asphaltstreifen unter ihnen der einzige Kontakt zur Zivilisation. Sapphy fuhr mit Khaled, der hinter dem Steuer saß, in einem Geländewagen voraus, dicht gefolgt von einem weiteren Fahrzeug mit sechs Männern.
Das Gelände erinnerte zunächst an die Landschaft, die sie bei ihrer Fahrt nach Hebra durchquert hatten. Kahle Sandflächen wechselten sich mit gelegentlichen Dornbüschen ab, die Luft war trocken und klar. Erst allmählich veränderte ihre Umgebung sich, der Sand bildete Dünen, die anfangs klein und flach waren und später immer höher wurden, je tiefer sie in die Wüste hineinfuhren.
Schließlich umgaben die rötlichen Sandberge, welche der unablässige Wüstensturm geformt hatte, die Reisenden von allen Seiten, drängten sich zuweilen auf die Straße und machten das Fortkommen schwierig. Sapphy saß die meiste Zeit über schweigend neben Khaled und ließ den Anblick der Wüste auf sich wirken.
Sie bereute es nicht, hierhergekommen zu sein. Selbst nach allem, was vorgefallen war, hatte ihr Besuch in Jebbai eine Fülle neuer Erfahrungen für sie bereitgehalten: das kühle und abgeschiedene Leben im Palast, in dem immer der Duft von Weihrauch in der Luft lag, das geschäftige Treiben auf dem Markt in der Innenstadt, wo sie mit Azizah hingegangen war, die bunten Auslagen mit Waren, die zugleich einfach und exquisit gewesen waren. Sogar der Garten von Khaleds Mutter war eine Erfahrung gewesen, die ihre Sinne angeregt und ihren Aufenthalt in Jebbai bereichert hatte.
Und Khaled? Sie sah zu ihm hinüber und betrachtete nachdenklich sein Profil, das so majestätisch war wie das Land, das er regierte, mit Gesichtszügen, die so prägnant waren wie die Linien, die der Wind in den Sanddünen hinterlassen hatte. Khaled hatte die Ärmel seines weißen Hemdes umgekrempelt und lenkte den Wagen geschickt durch das unebene Gelände. Sogar ein Teil von Khaled, sei es seine Autorität oder seine dunklen und geheimnisvollen Augen, würde sich in ihrer Arbeit niederschlagen, da war sie ganz sicher. Es
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