Romana Extra Band 4 (German Edition)
haben nicht übertrieben“, stellte Khaled fest, der neben sie getreten war und ebenfalls den Kopf des Kamels streichelte. „Sie mögen Kamele wirklich. Die meisten Leute sind ihnen nicht so freundlich gesinnt, viele haben sogar Angst.“
„Kamele haben einen schlechten Ruf“, antwortete sie. „Aber wenn man sie erst einmal kennengelernt hat, stellt man schnell fest, dass er völlig ungerechtfertigt ist.“
„Tatsächlich? Und glauben Sie, dass das auch auf Menschen zutrifft? Haben Sie schon einmal die Erfahrung gemacht, dass Sie ganz zu Unrecht einen schlechten Eindruck von jemandem gewonnen haben?“
Er machte wohl Witze. Sapphy sah zu ihm hinüber, doch seine Miene gab keinen Aufschluss darüber, wie seine Worte gemeint waren. „Meine Bekanntschaft mit Ihnen geht weit über einen schlechten Eindruck hinaus, Scheich Khaled.“
„Bedeutet das, dass Ihrer Meinung nach keine Hoffnung für mich besteht?“
„Verglichen mit Kamelen, meinen Sie?“ Sie gestattete sich ein Lächeln. „Sagen wir es so: Sie haben eine deutlich schlechtere Ausgangsbasis als diese liebenswerten Tiere hier.“
Er warf den Kopf zurück und lachte, ein voller und angenehmer Klang. Sie mochte sein Lachen, und es gefiel ihr, welche Auswirkungen es auf seine ansonsten angespannten Gesichtsmuskeln hatte. Es war, als würden die harten Kanten glattgebügelt. Sie mochte Khaled, wenn er so aussah, nicht so überheblich und irgendwie menschlicher.
Ein Gefühl, das schon beinahe so etwas war wie Bedauern, erfüllte sie. Wenn sie sich doch nur unter anderen Umständen begegnet wären …
Das Kamel gab einen bedrohlichen Laut von sich und riss sie aus ihren Gedanken. Was war nur mit ihr los? Die Umstände waren nicht anders, sondern genau so, wie sie waren. Dieser Mann hatte sie arglistig getäuscht und in sein Wüstenreich gelockt, um sie zu seiner Frau zu machen. Es war ganz ausgeschlossen, dass sie Sympathie für ihn empfand, und das war auch gut so.
Daher war es auch völlig ungefährlich, dass sie mit ihm in die Wüste hinausgefahren war. Schon morgen würde alles vorbei sein. Sie würde nach Italien zurückfliegen, und sie würden sich nie wiedersehen.
Sapphy spürte, dass er sie beobachtete, und vermied es absichtlich, seinem Blick zu begegnen. Also konzentrierte sie sich auf die Kamele. Sie brauchte etwas, um sich abzulenken, und dafür waren die Tiere bestens geeignet.
Es handelte sich um Dromedare, also um eine Gattung mit nur einem Höcker, genau wie die Tiere, auf denen sie als Kind geritten war. Anstelle des Doppelsitzes, den sie damals mit ihrer Zwillingsschwester geteilt hatte, trugen diese jedoch einen einzelnen Sattel, der auf dem Höcker befestigt war. Damit saß der Reiter ein ganzes Stück höher, als sie vermutet hatte. Sapphy hatte jedoch nicht vor, Khaled wissen zu lassen, wie sehr der Anblick des Sattels sie einschüchterte.
„Welches ist meins?“, fragte sie.
„Dieses Kamel scheint Sie zu mögen. Ich schlage vor, wir nehmen es.“
Wir? Unmöglich. Der Sattel war ganz offensichtlich nur für eine einzige Person bestimmt. Wenn sie sich den Sattel teilen würden, würde sie praktisch auf seinem Schoß sitzen und bei jedem Schritt, den das Tier machte, gegen Khaled gedrückt werden. Sie schluckte. „Sie meinen, das hier ist für mich.“
Er lächelte. „Wir haben ein Kamel zu wenig. Das heißt, Sie und ich müssen uns eins teilen.“
„Können Sie nicht noch eins bekommen?“
Khaled betrachtete den Himmel. „Zu spät. Wir müssen sofort aufbrechen, wenn wir den Treffpunkt vor Anbruch der Dunkelheit erreichen wollen.“
„Aber es gibt nicht genug Platz für uns beide. Und dem armen Kamel gegenüber ist es auch nicht fair.“
„Das Kamel kann das zusätzliche Gewicht ohne Weiteres verkraften. Schließlich wiegen Sie ja kaum etwas.“ Er grinste. „Und was Ihre anderen Bedenken angeht, da machen Sie sich mal keine Gedanken.“
Auf einmal wünschte sie, sie wäre mit Saleem im Palast zurückgeblieben. Selbst die unterkühlte Anwesenheit Saleems war angenehmer als die Aussicht, Khaled so nahe zu sein.
„Kann ich nicht hier bleiben und warten, bis Sie wieder zurückkommen?“
„Sie wollen doch nicht etwa auf eine so einmalige Gelegenheit verzichten, einen der letzten Beduinenstämme kennenzulernen? Das würden Sie sich nie verzeihen!“
Wollte er sie ärgern, oder war er einfach nur begriffsstutzig? Verstand er nicht, wovor sie Angst hatte, oder verstand er nur zu gut?
Sie atmete tief ein und
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