Romana Extra Band 6
Dreizehnjährige durch ihren Großvater erfahren hatte, längst verwunden zu haben. Nun musste sie feststellen, dass dies nicht der Fall war. Und sie würde sich wohl auch nie damit abfinden, solange sie nicht wusste, was zwischen ihm und ihrer Mutter vorgefallen war. Eines stand fest: Es musste etwas Gravierendes gewesen sein, ansonsten hätte François gewiss nicht den Kontakt mit seiner einzigen Enkelin abgebrochen. Oder machte sie sich da nur etwas vor?
„Willst du darüber sprechen?“ Erneut durchbrach Laurents Stimme das Schweigen. Inzwischen hatten sie den Wagen erreicht, und Laurent hielt ihr die Beifahrertür auf. „Ich bin vielleicht nicht der erste Mensch, an den man sich wenden sollte, wenn man einen guten Ratschlag braucht. Aber mir wird nachgesagt, dass ich gut zuhören kann. Und manchmal soll es ja schon helfen, sich einfach einmal allen Ballast von der Seele zu reden.“
Sein Angebot kam so unerwartet, dass sie überrascht blinzelte – was er sogleich bemerkte.
„Schon gut, du brauchst dir keine Ausflüchte zu überlegen.“ Er winkte ab. „Es war eine dumme Idee von mir. Warum solltest du dich mit deinen Sorgen und Problemen ausgerechnet an mich wenden?“
Ja, warum sollte sie?
Vielleicht weil du, wenn du einmal richtig darüber nachdenkst, sonst niemanden hast, dem du dein Herz ausschütten könntest?
Diese Erkenntnis war so erschütternd, dass sie Rosalie für einen Augenblick schier die Kehle zuschnürte. Wann hatte sie zu Hause in London jemals mit einem der wenigen Menschen, die sie als ihre Freunde bezeichnete, über etwas wirklich Persönliches gesprochen?
Sie konnte sich nicht daran erinnern.
Diese Leute waren Models wie sie selbst. Die meisten von ihnen reisten den größten Teil des Jahres irgendwo in der Welt herum. Wenn man einmal zufällig zur selben Zeit am selben Ort war, trank man abends vielleicht ein Gläschen Wein miteinander und unterhielt sich über den Job. Keiner ihrer sogenannten Freunde wusste etwas über ihre Vergangenheit oder darüber, wie schwierig die Beziehung zu ihrer Mutter war. Sie hatte niemanden um Rat gefragt, als es um die Entscheidung ging, nach Frankreich zu reisen, um das Erbe ihres Großvaters anzutreten, und umgekehrt hatte auch niemand danach gefragt, wie es ihr ging.
Und nun kam ausgerechnet Laurent Colbert daher und bot ihr eine starke Schulter an, auf die sie sich stützen konnte. War das wieder nur eine Finte, um sich ihr Vertrauen zu erschleichen? Sie durfte nicht vergessen, dass er für Richard Delacroix arbeitete, der, wie sie von Adrienne wusste, ihrem Großvater in seinen letzten Monaten das Leben zur Hölle gemacht hatte.
Doch als sie in Laurents Augen blickte, konnte sie dort nur offene und ehrliche Anteilnahme erkennen. Er schien sein Angebot tatsächlich ernst zu meinen. Und zu ihrer eigenen Überraschung fühlte Rosalie sich durchaus versucht, es in Anspruch zu nehmen.
Dennoch schüttelte sie den Kopf. „Das ist nett gemeint, aber ich glaube nicht, dass du mir helfen kannst. Du kanntest meinen Großvater schließlich nicht.“
„Das stimmt, François Baillet und ich sind uns nur ein einziges Mal begegnet. Aber ich muss ihn auch nicht kennen, um zu wissen, dass zwischen euch etwas vorgefallen ist.“ Er ließ den Motor an und manövrierte den Wagen aus der Parklücke. „Was meinst du? Wir können uns die ganze Rückfahrt nach Laurins-les-Fleurs über anschweigen, oder du nutzt die Gelegenheit, mir zu erzählen, was dir auf der Seele liegt.“
Noch immer zögerte Rosalie, doch dann kam sie zu dem Schluss, dass er recht hatte. Vielleicht war gerade er als Außenstehender in der Lage, die Dinge von einem neutralen Standpunkt zu beurteilen. Was schadete es, wenn sie es wenigstens einmal versuchte?
Sie atmete tief durch und begann zu erzählen: „Ich war noch ein kleines Mädchen, als meine Mutter entschied, dass sie ihre Karriere und mich nicht mehr unter einen Hut bringen konnte, und mich kurzerhand bei meinem Großvater in Laurins-les-Fleurs ablieferte.“
Verständnisvoll nickte er. „Das muss schwer für dich gewesen sein.“
„So schlimm war es eigentlich gar nicht.“ Sie zuckte mit den Schultern. Es war ein seltsames Gefühl, jemandem von früher zu erzählen – fast ein wenig, als würde sie sich selbst in die Vergangenheit zurückversetzen. „Weißt du, meine Mutter war ein sehr erfolgreiches Foto- und Laufstegmodel. Du hast sicher schon mal Aufnahmen von ihr in irgendeiner Zeitschrift gesehen. Sie arbeitete
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