Romana Extra Band 6
tatsächlich, sie ist es! Laurent, Sie sind ein Zauberer! Woher wussten Sie, dass es hier ist? Ich meine … Ich hab es ja selbst nicht mehr gewusst.“
„Ach“, er winkte ab, „im Grunde ist es ganz unspektakulär: Als Sie vorhin davon erzählt und mir das Gebäude und die Besitzerin beschrieben haben, beschlich mich eine leise Ahnung.“ Er lächelte. „Ich habe einige Jahre hier in Rouen studiert. Ich kenne die Stadt wie meine Westentasche, und die Bäckerei, von der sie sprachen, kam mir gleich irgendwie bekannt vor.“
Rosalie strahlte. „Das ist ja wirklich unglaublich! Gehen wir hinein?“, fragte sie aufgeregt. Sie konnte es kaum abwarten, den Laden von innen zu sehen. Ob er noch immer von derselben alten Dame geführt wurde? Nein, wohl kaum. Die Frau war damals schon ziemlich alt gewesen und sicherlich längst in Rente.
Doch Rosalie sollte eine Überraschung erleben. Denn als sie die Bäckerei betraten und das kleine Glöckchen über der Tür erklang, betrat eine Frau mit silbergrauem Haar den Verkaufsraum und schenkte ihnen ein sonniges Lächeln. Es war die alte Dame, an die Rosalie sich noch aus ihrer Kindheit erinnerte.
„ Bonjour . Sie sind Monsieur Colbert, n’est-ce pas? “ Als Laurent nickte, lächelte sie breit. „Der gefüllte Apfelkuchen ist soeben frisch aus dem Ofen gekommen. Was möchten Sie dazu trinken?“
Rosalie war so verblüfft, dass sie keine Worte fand. An ihrer Stelle übernahm Laurent das Sprechen. „Heiße Schokolade mit Sahne bitte, Madame Arnault“, erwiderte er und nahm Rosalie bei der Hand. „Wo möchten Sie sitzen?“
Sie entschieden sich für einen Tisch am Fenster. Hier konnten sie nebeneinandersitzen und durch das Schaufenster auf die Straße hinausschauen. Es dauerte nur ein paar Minuten, bis ihre Bestellung gebracht wurde. Der verlockende Duft des frischen gâteau aux pommes stieg Rosalie in die Nase, doch sie konnte es noch immer kaum glauben. Es war, als sei sie mit einem Kopfsprung in ihre Vergangenheit eingetaucht. Zurück in ihre Kindheit, als ihre Welt noch in Ordnung gewesen war.
„Hm …“ Genießerisch schloss sie die Augen, nachdem sie von ihrer heißen Schokolade gekostet hatte. „Einfach köstlich! Aber eines verstehe ich immer noch nicht: Wie konnte Madame Arnault schon im Voraus von unserem Besuch wissen? Ich …“ Und dann, als sie Laurents zufriedenes Lächeln sah, fiel es ihr plötzlich wie Schuppen von den Augen. „Es war vorhin, als wir uns den Tour Jeanne d’Arc angeschaut haben, richtig?“, sagte sie. „Sie haben sich kurz zurückgezogen, um einen wichtigen Anruf zu erledigen.“ Sie lachte auf. „Das war gar kein geschäftliches Telefonat – Sie haben hier angerufen.“
Er hob die Hände. „Sie haben mich ertappt. Und? Wollen Sie den Kuchen nicht kosten? Sie sollten ihn essen, solange er noch warm ist, dann schmeckt er am besten.“
Laurent stockte der Atem, als Rosalie die Gabel in ihren gâteau aux pommes stach, ein Stück Kuchen in Sahne tauchte und es dann zwischen ihre Lippen führte.
Nie im Leben hätte er es für möglich gehalten, dass er es jemals sinnlich finden könnte, jemanden beim Essen zu beobachten.
Auf einmal verspürte er den unwiderstehlichen Drang, Rosalie zu küssen. Nicht sanft und zärtlich, sondern mit all der Leidenschaft, die er zu empfinden vermochte.
Sein Herz hämmerte.
In seinen Adern rauschte das Blut.
Und als sie dann zu ihm aufblickte und er in ihre wunderbaren smaragdgrünen Augen schaute, schien die Welt um ihn herum zu verschwimmen. Er hatte so etwas noch nie zuvor erlebt. Es war wie eine Offenbarung. Unglaublich, dass er bisher durchs Leben gegangen war, ohne eine solche Intensität von Gefühlen jemals erlebt zu haben. Ja, ohne auch nur geahnt zu haben, dass es so etwas überhaupt gab.
Sie ließ die Hand mit der Gabel sinken. Ihre Blicke waren fest miteinander verwoben. Die Luft zwischen ihnen sprühte Funken.
Empfand sie dasselbe wie er?
Beinahe gleichzeitig drehten sie sich zueinander, neigten sich dem anderen entgegen. Laurent bemerkte, dass etwas Sahne in ihrem Mundwinkel klebte. Er hob die Hand und fuhr ihr sanft mit dem Daumen über die Unterlippe. Deutlich spürte er den Schauer, der ihren Körper durchlief. Sie schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken.
Es war wie eine Einladung, und Laurent würde den Teufel tun, sie auszuschlagen.
Sanft, wie einen Schatz, umfasste er mit beiden Händen Rosalies Gesicht und beugte sich zu ihr hinunter.
Dann senkte er
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