Romana Extra Band 6
mehr froh wurde. Sie am Ende triumphieren zu sehen, wäre für ihn die ultimative Katastrophe. Doch wenn er wirklich den richtigen Weg eingeschlagen hatte, um an dieses Ziel zu gelangen – warum wurde er dann das Gefühl nicht los, sich immerzu im Kreis zu bewegen?
„Um Himmels willen, was hast du vor, Kindchen?“
Überrascht schaute Adrienne sie an, als Rosalie am nächsten Morgen im grünen Gärtneroverall und in Gummistiefeln zum Frühstück in die Küche trat. Sie fühlte sich frisch und ausgeruht wie schon lange nicht mehr, war erfüllt von neuem Tatendrang, wie sie ihn selbst von sich nicht kannte.
„Ich habe beschlossen, hierzubleiben“, erklärte Rosalie mit fester Stimme. „Hier in Laurins-les-Fleurs, um grand-pères Rosenzucht weiterzuführen.“
Als Adrienne schwieg, hob sie eine Braue. „Du glaubst nicht, dass das eine gute Idee ist? Seltsam, ich hätte gedacht, dass du dich darüber freust.“
„Ja, schon“, erklärte Adrienne, während sie zwei Becher mit frischem Kaffee füllte. Einen reichte sie Rosalie, den anderen stellte sie auf den Tisch und setzte sich.
„Versteh mich nicht falsch, ich wünsche mir nichts mehr, als dass das Lebenswerk deines Großvaters erhalten bleibt. Aber …“ Sie machte eine kurze, nachdenkliche Pause.
„Ich will nicht lange drum herumreden: Bist du sicher, dass das hier, die Rosenzucht, ein Leben in Laurins-les-Fleurs, das Richtige für dich ist? Du bist immerhin mindestens für die nächsten zwölf Monate an deine Entscheidung gebunden, wenn ich richtig verstanden habe, was François in seinem Testament verfügt hat.“
Im ersten Moment fühlte Rosalie sich wie vor den Kopf gestoßen. Hielt Adrienne sie etwa für eines dieser hübschen Modepüppchen, die abgesehen von Designerklamotten nichts interessierte? Doch schon im nächsten Augenblick wurde ihr klar, dass ihre Nenntante ganz gewiss nicht so von ihr dachte.
„Ich weiß, ich habe keine Ahnung von Rosen und davon, wie man sie veredelt oder kreuzt. Aber das sind doch alles Dinge, die man lernen kann.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Sicher, zu Anfang bräuchte ich jemanden, der mir unter die Arme greift. Aber da wird sich doch gewiss jemand finden, glaubst du nicht?“
Adrienne stellte den Kaffee, von dem sie gerade genippt hatte, auf den Tisch und ergriff Rosalies Hand. In ihren Augen schimmerten Tränen. „Ach Liebes, du glaubst ja nicht, wie sehr ich mich freue! Natürlich werden wir jemanden finden, der dich unterstützt. Mir fallen auf Anhieb gleich ein halbes Dutzend Kandidaten ein, die für diesen Job infrage kämen. Aber …“
„Aber?“
„Du solltest das nicht nur tun, weil du mit deinem Leben in London unglücklich bist.“ Als Rosalie protestieren wollte, hob sie die Hand. „Nein, du brauchst es nicht zu leugnen. Ich sehe es in deinen Augen, mein Kind. Du bist nicht wie deine Mutter, der schöne Schein der Modewelt ist nichts für dich. Du sehnst dich nach etwas, das dich wirklich ausfüllt. Einer echten Aufgabe. Aber du solltest sicher sein, dass die Roseraie Baillet das auch wirklich für dich sein kann.“
Sie lächelte. „Ich weiß, im Moment mag es dir wie eine geeignete Möglichkeit erscheinen, noch einmal ganz von vorn anzufangen, aber glaube mir: Der einfachste Ausweg ist nur selten der, der am Ende ins Glück führt.“
„Du rätst mir also ab?“ Rosalie war überrascht. Sie hatte fest daran geglaubt, dass Adrienne ihren Vorschlag begeistert aufnehmen würde. Dass die ältere Frau sich gegen ihre Pläne aussprechen würde, damit hatte sie nicht gerechnet. Aber was, wenn sie recht hatte? Wenn Rosalie wirklich nur nach einem einfachen Weg suchte, ihrem Leben eine neue Richtung zu geben?
Schließlich schüttelte Adrienne den Kopf. „ Mais non , ich rate dir keineswegs ab. Ich bitte dich nur, dir die Tragweite deiner Entscheidung bewusst zu machen.“
Entschlossen straffte Rosalie die Schultern. „Ich will nicht, dass die Rosenzucht in die Hände von Menschen fällt, die grand-pères Lebenswerk zerstören wollen.“
„Und diese Entschlossenheit ehrt dich. Aber es sollte nicht der einzige Grund sein, warum du bleibst.“ Lächelnd neigte Adrienne den Kopf. „Du solltest nicht denken, dass François unglücklich oder gar verbittert gewesen wäre. Ganz im Gegenteil sogar. Dein Großvater war einer der positivsten Menschen, die ich je kennengelernt habe. Und du bist ihm sehr ähnlich. Er wäre stolz auf die junge Frau gewesen, die aus dem kleinen Backfisch
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