Romana Gold Band 11
sagte sie sich. Wenn es nicht gut ging, konnten sie wieder nach London zurückziehen. Die Wohnung mochte zwar dann in den Händen eines Maklers sein, doch sobald sie verkauft war, würde ihr Geld investiert werden, und sie konnten einen neuen Anfang machen.
Als der Zug endlich im Sonnenschein eines ungewöhnlich warmen Septembertages gen Norden brauste, konnte Isabel Corys mürrisches Gesicht ignorieren und die Reise genießen.
Erst als der Zug die Vororte von Glasgow erreichte, kam Isabel trotz allem der Gedanke, vielleicht doch nicht das Richtige getan zu haben. Im Hauptbahnhof von Glasgow angelangt, war sie überzeugt, einen Fehler begangen zu haben. Cory hatte während der Reise kaum gesprochen und, wenn überhaupt, nur auf Isabels Fragen geantwortet. Ihre Tränen und Wutanfälle, mit denen sie ihre Mutter dazu bringen wollte, ihre Meinung zu ändern, waren einem bedrückten Schweigen gewichen.
Der Zug hielt mit kreischenden Bremsen. Die Reisenden ringsum nahmen ihr Gepäck auf und machten sich zum Aussteigen bereit. Isabel stand auf, da sie ja nicht ewig hier sitzen bleiben konnte, auch wenn Cory ihre Ankunft nicht zu interessieren schien.
„Sind das Ihre Koffer?“
Ein Mann mittleren Alters fragte Isabel, die sich gerade bemühte, ihr Gepäck aus der Ablage zu heben.
„Nur diese beiden“, sagte sie und nickte dankbar, als er die schweren Koffer nahm und aus dem Abteil schaffte, während Isabel Cory hinter sich herzog und mit einem Gefühl wachsender Verzweiflung auf den Bahnsteig trat.
Sie bemerkte sofort, dass es hier viel kühler als in London war. Dort hatten ihre dünne Cordhose, Edwards altes Flanellhemd und der hüftlange Cardigan genügt. Sie spürte die kühle Brise, die in den offenen Kragen ihres Hemdes drang und an ihrem dunkelblondem Haar zauste. Sie hatte das Gefühl, hilflos zu sein.
„Werden Sie abgeholt?“, wollte der Mann wissen, der ihre Koffer auf den Bahnsteig gestellt hatte.
„Nein“, erwiderte sie ein wenig beunruhigt, weil Glasgow viel belebter war, als sie es sich vorgestellt hatte. „Ich muss hier umsteigen“, erklärte sie. „Wir müssen nach Fort William. Wissen Sie zufällig, von welchem Bahnsteig der Zug abfährt?“
„Der fährt vom Bahnhof Queen Street ab, Mädchen“, erwiderte der Mann und verzog das Gesicht. „Zu Fuß sind das fünfzehn Minuten von hier. Sie sollten ein Taxi nehmen.“
„Riesig!“
Zum ersten Mal, seit sie King’s Cross verlassen hatten, gab Cory freiwillig etwas von sich. Isabel warf ihr einen warnenden Blick zu, bevor sie sich wieder an den Mann wandte. Was sie hörte, freute sie nicht gerade, aber sie wollte das nicht zeigen.
„Ein Taxi“, wiederholte sie nickend, und der Mann deutete auf den Ausgang, vor dem die Taxen standen.
„Ich würde Sie gern hinbringen, aber meine Frau wartet auf mich“, fügte er hinzu. Während Isabel ihm versicherte, dass sie gut alleine zurechtkäme, sah sie aus den Augenwinkeln, dass ein anderer Mann sie abschätzend beobachtete.
Der Bahnsteig war jetzt fast leer gefegt. Die wenigen noch verbliebenen Reisenden waren Fremde wie sie, die sich nicht auskannten.
Der Mann, der sie jetzt beobachtete, gehörte aber nicht dazu. Er lehnte an der Wand des Wartesaals, und sein langes Haar bewegte sich leicht in der Brise. Er sah aus, als habe er dort schon eine Weile gestanden. Seine Wildlederjacke, die offen über seinen breiten Schultern hing, wirkte teuer, und das schwarze Hemd und die enge schwarze Hose sahen nicht so aus, als stammten sie aus einem Billigladen. Schwarze Stiefel mit niedrigen Absätzen komplettierten sein Äußeres. Isabel, die normalerweise weder Männer noch ihr Aussehen beachtete, spürte ein unangenehmes Prickeln im Rücken. Wer war er, überlegte sie. Und warum beobachtete er sie? Sie kannte niemand in Schottland. Und ganz gewiss keinen Mann, in dessen schlankem, dunklem Gesicht sich die spröde Schönheit seiner keltischen Ahnen widerspiegelte.
„Ich trage diese schweren Koffer nicht“, erklärte Cory trotzig, als der Mann, der ihnen geholfen hatte, sich entfernte.
„Wir haben keine schweren Koffer, Cory“, erwiderte sie mit zusammengebissenen Zähnen und richtete sich dann zu voller Größe auf, als der andere Mann … der Mann, der sie beobachtet hatte, sich von der Wand löste und langsam auf sie zugeschlendert kam.
„Kann ich Ihnen behilflich sein?“, erkundigte er sich.
„Nein“, erwiderte sie, wobei sie seinem Blick auswich. Irgendwo hatte sie gelesen, dass eine
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