Romana Gold Band 11
umgibt?“
Sie nahm den Fuß vom Gaspedal und sah über das hügelige Moorland, das sich vor ihren Augen ausbreitete. Instinktiv lenkte sie den Landrover auf den schmalen grasbewachsenen Seitenstreifen und stellte den Motor ab. Ohne es beabsichtigt zu haben, befand sie sich an einem ihrer Lieblingsplätze, an dem sie fast nie vorüberfuhr, ohne sich einige Minuten Zeit zu nehmen und die herrliche, immer wechselnde Aussicht zu genießen.
Heute war es windstill und warm. Das etwas diesige Sonnenlicht deutete auf einen schönen Sommertag hin und verlieh der vertrauten Umgebung einen milden Glanz. Dies war anders, wenn ein Sturm drohte. Dann war die Luft so klar, dass man jedes einzelne Blatt und jeden Grashalm in fast unheimlicher Weise scharf wahrnehmen konnte. An anderen Tagen wieder trieb dichter Nebel vom Meer herüber, hüllte das Land ein und verschluckte jenseits des Sunds die Umrisse der Berge, die heute in zartesten Blautönen schimmerten, sodass es aussah, als schwebten die Erhebungen auf dem Wasser.
Auf der einen Seite der Straße erstreckten sich Heide und Moor, auf der anderen rollten die Meereswellen und brachen sich an dem überhängenden Grasufer und dem steinigen Strand. Kein Anzeichen einer geplanten Bebauung war zu erkennen, und außer dem leisen Plätschern der Wellen hörte man höchstens ein Schaf blöken oder in den niedrigen Kiefern, die das Ufer säumten, einen Vogel zwitschern.
Wie friedlich es hier ist, dachte Lorna. Sie fühlte sich wie verzaubert und tröstete sich vorübergehend damit, dass der fragliche Reiseunternehmer diesen idyllischen Platz bisher verschont hatte und offenbar auch nicht in seine Pläne mit einbeziehen wollte. Vielleicht sah sie überhaupt zu schwarz. Wie Jan richtig bemerkt hatte … bisher war noch nichts entschieden. Das geplante Feriendorf existierte vorerst nur in der Fantasie seiner skrupellosen Erfinder. Vieles konnte geschehen, ehe diese Leute dazu kommen würden, ihre Pläne zu verwirklichen. Vielleicht verweigerten die Behörden überhaupt ihre Zustimmung.
Trotzdem ärgerte sich Lorna weiter über Jan. Gerade von ihm hatte sie fest angenommen, dass er die Insel so friedlich und unberührt erhalten wollte, wie sie beide sie ihr Leben lang gekannt und geliebt hatten.
Sie lehnte sich gegen den Wagen und sah über das Meer zum Festland hinüber. Was war nur plötzlich mit ihrem alten Freund los? Sie kannte ihn seit ihrer Kindheit und hätte geschworen, dass sie in allen Dingen einer Meinung wären. Jedenfalls in den Dingen, auf die es wirklich ankam.
Sie waren von früh an unzertrennliche Gefährten gewesen. Selbst als Lorna in St. Andrews Philosophie studiert hatte, war er angereist, um sie auf einige wichtige Feste zu begleiten. Nie hatte es einen anderen Mann für sie gegeben, so, wie die Insel Mull der einzige Ort auf der Welt war, an dem Lorna leben wollte – natürlich mit Jan, denn eines Tages würde er sie heiraten, und dann würden sie für immer zusammenbleiben.
Lorna seufzte und kehrte mit ihren Gedanken in die Gegenwart zurück. Wahrscheinlich hatte Jan nicht gründlich genug nachgedacht. Früher oder später würde er sich zu ihrer Ansicht bekehren. Sie brauchte nur ruhig mit ihm zu sprechen. Wutentbrannt aus dem Laden zu stürmen war nicht gerade diplomatisch gewesen. Sie würde zurückfahren, die Lebensmittel besorgen, derentwegen sie ursprünglich gekommen war, und versuchen, die Sache einzurenken.
Ja, genau das würde sie tun – jetzt gleich. Wie kam sie dazu, müßig in die Landschaft zu blicken, solange es wichtigere Dinge zu tun gab?
Sie seufzte wieder und schaute sich ein letztes Mal sehnsüchtig um. Wie immer war es der geliebten Landschaft gelungen, Lorna durch ihre Schönheit zu beschwichtigen. Schweren Herzens stieg sie in den Landrover und fuhr den Weg zurück.
Diesmal fuhr Lorna vorsichtiger. Die Straße war nicht breit, und manchmal kam es vor, dass Schafe von der einen Seite auf die andere wechselten.
„Bleibt, wo ihr seid!“, rief sie, als sie eine kleine Herde wahrnahm, die sich rechts unter einem überhängenden Felsblock zusammendrängte. Die meisten Menschen hielten Schafe für dumm, aber das war ein Irrtum. Vielleicht waren sie störrisch und unberechenbar, aber dumm keinesfalls.
Kurz hinter dem Felsen machte die Straße eine scharfe Biegung, und Lorna verlangsamte das Tempo. Sie kannte die Strecke so gut, dass sie sich beim Fahren überlegte, was sie zu Jan sagen wollte. Er würde ihr nichts nachtragen, ein so
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