Romana Gold Band 13
Rest schaffen. Ohne zu protestieren ließ sie sich diesmal das Seil von Rafe um die Taille schlingen. Dieses Zugeständnis musste sie machen, sosehr es ihr auch widerstrebte. Der kommende Anstieg sah gefährlich und riskant aus, und sie war entschlossen, sich genau an seine Anweisungen zu halten und keinen vermeidbaren Fehler zu machen.
Den ersten Fehler bemerkte sie sofort. Natürlich hatten die kurze Rast und ein paar Schlucke Kaffee sie nicht völlig wiederhergestellt. Schon nach wenigen Schritten spürte Caroline schmerzhaft jeden Muskel. Vor jedem anderen hätte sie ihre Schwäche eingestanden und sich zum Rückzug bereit erklärt. Selbst wenn Rafe noch einmal angehalten und sich nach ihr umgesehen hätte, hätte sie sich in die Niederlage gefügt. Aber er blieb nicht stehen. Wortlos stapfte er voran, und ihr blieb nichts anderes übrig, als den Kopf gegen den Wind zu senken und ihm zu folgen.
Hier oben hatte es schon heftig geschneit. Vom Weg war nichts mehr zu sehen. Rafe musste den Konturen des Untergrundes und den Umrissen der Felsformationen folgen. Der Schnee war steinhart, und an manchen Stellen kam blankes Eis darunter zum Vorschein. Dort musste Caroline mühsam auf Händen und Knien voran kriechen.
Als der Anstieg etwas flacher wurde, hatte sie endlich Zeit, sich aufzurichten und umzusehen. Ihr stockte der Atem, als sie sah, wie hoch sie sich befanden. Sie staunte, dass ihr dabei nicht schwindlig wurde. Vielleicht hatte sie die Höhentauglichkeit von ihrem Großvater geerbt. Außerdem hatte sie ganz andere Sorgen. Wenn diese Mühsal noch lange weiterging, würde sie in jede Höhle kriechen und sie notfalls mit Vampiren teilen, wenn sie nur endlich ausruhen konnte.
Caroline hatte nicht geglaubt, dass Erschöpfung so schmerzhaft sein konnte, denn alle Muskeln taten ihr weh. Über besonders schwierige Stellen musste Rafe ihr hinweghelfen, doch die meiste Zeit schleppte sie sich selbst voran, Schritt für Schritt, Meter für Meter. Je schwächer sie wurde, desto mehr war sie davon überzeugt, dass er dieses Abenteuer genoss.
Er hätte sie davor bewahren können! Er hätte sich weigern können, sie so hoch hinaufzubringen, und sie hätte sich fügen müssen. Doch vermutlich hatte er innerlich gelacht, als sie darauf bestanden hatte, denn er wusste, was auf sie zukam. Die größte Freude würde es ihm machen, wenn sie stürzte und im Seil hing.
Ich hasse dich, Rafe Drayford, dachte sie. Wenn ich das lebend überstehe, werde ich dich vergiften. Am liebsten hätte sie die Augen geschlossen, um ihn nicht sehen zu müssen, doch das wäre auf so schwierigem Terrain zu gefährlich gewesen. Sie musste einfach weitergehen, obwohl das Einzige, was noch zu funktionieren schien, ihr Verstand war.
Der war allerdings hyperaktiv, denn ihre Gedanken wirbelten nur so durcheinander. Vielleicht war die Hölle oben, nicht unten, und sie, Caroline, quälte sich geradewegs dorthin, mit einem für sie persönlich abgeordneten Teufel an der Seite? Er war schuld an ihren Schmerzen! Hass war die Feder, die sie immer weiter vorantrieb.
Außerdem hatte sie keine andere Wahl. Nur dort oben gab es Schutz, und es konnte nicht mehr sehr weit sein. Bis dahin musste sie durchhalten, denn wenn sie schlappmachte, würde er sie tragen, und wenn er sie anfasste, würde sie zu schreien anfangen.
Plötzlich merkte Caroline, dass der Boden ebener wurde. Bisher war es immer nur bergauf gegangen, doch nun erstreckte sich auf einmal eine Ebene vor ihr. „Wir haben es fast geschafft“, hörte sie Rafe sagen.
Caroline stöhnte erleichtert auf. Sie war wirklich bis an die Grenzen ihrer Kraft gegangen. Bei jedem anderen Begleiter wäre sie jetzt vielleicht zusammengebrochen und hätte hysterisch gelacht und geweint, bis sich die unnatürliche Anspannung gelöst hätte. Aber nicht bei Rafe Drayford! Sie brachte es fertig, sich aufrecht zu halten und ihm mit schleppenden Schritten zu den Hütten zu folgen, die sich am Ende des kleinen Plateaus an die Felsen schmiegten. Alles lag unter einer weiß glitzernden Schneedecke.
„Es ist noch früh im Winter“, stellte Rafe fest. „In zwei Monaten liegt der Schnee bis zu den Dächern, sodass man die Hütten nicht einmal mehr betreten kann.“
„Willkommen in der Hölle“, murmelte Caroline.
„Da könntest du recht haben.“
Hinter den Hütten ging es weiter bergan, und die Gipfel ragten in unerreichbarer Ferne empor, obwohl sie schon jetzt das Gefühl hatte, den Mount Everest bezwungen zu
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