Romana Gold Band 13
könnte jedes Geräusch eine Lawine von Echos auslösen. Eine solche Stille hatte sie noch nie erlebt. Sie kam sich vor wie lebendig begraben. Die Läden vor den Fenstern waren geschlossen, sodass sie nicht hinaussehen konnte. Plötzlich hatte sie panische Angst, dass es womöglich noch mehr geschneit hatte. Angestrengt lauschte sie in die Dunkelheit. Konnte man hören, wenn Schnee auf das Dach fiel? Sie stellte sich vor, wie die Häuser allmählich unter hohen Schneewehen verschwanden. Im Morgengrauen waren sie vielleicht schon bis zum Dach begraben.
Sie musste nachsehen! Sie kroch aus dem Schlafsack und schlich zur Tür. Der schwere hölzerne Riegel war nicht vorgelegt, aber die Tür ließ sich nicht bewegen. Vielleicht türmte sich draußen schon meterhoch der Schnee? Angestrengt lehnte sie sich gegen das Holz, bis es nachgab und sie hinausspähen konnte.
Es war kein weiterer Schnee mehr gefallen, und auch der Wind hatte sich gelegt. Kein Hauch regte sich. Caroline trat hinaus in das gefrorene Schweigen. Die Szene war so unwirklich, dass sie sich noch immer wie im Traum vorkam.
Plötzlich wurde die Stille von Rafes Schrei durchbrochen. „Caroline! Was, zum Teufel, tust du da draußen?“
Caroline schrak zusammen. Ich bin wirklich noch in meinem Albtraum gefangen, schoss es ihr durch den Kopf. Ich werde bis an mein Lebensende an Rafe gefesselt sein. Panik und Wut stiegen in ihr auf. Ohne zu wissen, was sie tat, hob sie die Hand und schlug Rafe mitten ins Gesicht.
4. KAPITEL
Als Caroline zu sich kam, befand sie sich wieder im Haus. Sie hatte entweder das Bewusstsein verloren oder war so in Panik geraten, dass sie nichts mehr wahrgenommen hatte. Sie fand sich an den Tisch gelehnt und sah starr auf ihre geballten Fäuste nieder. Sie hätte nicht entsetzter sein können, wenn sie ein Messer in ihrer Hand entdeckt hätte. „Ich hatte einen Albtraum!“, sagte sie und stöhnte.
„Bist du im Schlaf gewandelt?“
„Nein. Ja … in gewisser Weise schon. Ich dachte, es hätte zu schneien begonnen. Ich hatte Angst, wir würden nie wieder hinunterkommen.“
„Und ich dachte schon, du wolltest allein zur Höhle der Winde“, meinte Rafe.
„Du musst mich für völlig verrückt halten“, erwiderte sie entrüstet.
„Ein bisschen schon.“ Er lächelte.
Ihre Lippen zitterten, und ihre Stimme war unsicher, als Caroline antwortete. „Ich wäre drei Sekunden später wieder im Haus gewesen. Es ist beängstigend dort draußen. Der Wind hat sich gelegt. Es ist, als sei dort draußen alles erstarrt.“
„Nicht lange. Der Wind holt nur Luft.“
Eine solche Erklärung würde man einem Kind geben, dachte sie. Aber sie hatte sich auch kindisch benommen. „Ich hätte dich nicht bitten sollen, mich hier heraufzubringen“, murmelte sie verlegen. „Ich fürchte, ich gehe dir ziemlich auf die Nerven.“
„Du bist tatsächlich unglaublich“, stimmte er zu. „Du siehst aus wie aus Porzellan, aber du zerbrichst nicht.“ Er fuhr sich mit der Hand über die Wange. „Und du hast einen ziemlich harten Schlag.“
Sie hätte sich nicht gewundert, wenn er zurückgeschlagen hätte. Es war kein kleiner Klaps gewesen. Sie hatte mit aller Kraft zugeschlagen. Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich so vergessen. Erneut blickte sie auf ihre Hände hinab, als gehörten sie einer Fremden. Sie waren weiß vor Kälte und zitterten noch immer.
„Es tut mir leid, dass ich den Kopf verloren habe.“ Sie schluchzte fast. „Ich habe noch nie jemanden geschlagen, und dann suche ich mir jemanden aus, der fast doppelt so groß ist wie ich. Und jetzt werde ich auch noch hysterisch. Das ist auch etwas, was mir noch nie passiert ist. Aber wenn ich jetzt nicht heule oder schreie, verliere ich den Verstand.“
Dann brach es aus ihr heraus. Sie zitterte am ganzen Körper, und die Tränen liefen ihr über das Gesicht. Wenn Rafe nicht zu ihr getreten wäre und sie gehalten hätte, wäre sie zusammengebrochen. Nur langsam verebbte ihr Schluchzen. Rafe hielt sie, bis das Zittern aufhörte. Dann nahm er ihre Hände und rieb sie, bis das prickelnde, brennende Gefühl zurückkehrte. Er massierte sie stark und sanft zugleich.
Es war ein verwirrend sinnliches Gefühl. Caroline seufzte zufrieden. Dann lachte sie verlegen auf. „Deine Mutter sagt immer, man könne eine Lady an den Händen erkennen.“
„Sie redet manchmal ziemlichen Unsinn“, erwiderte er trocken. „Aber deine Hände müssen ihr gefallen haben.“
Diesmal war ihr Lachen echt.
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