Romana Gold Band 13
eilig zu haben. Er verschnürte den Rucksack und löschte das Feuer mit Schnee, obwohl sicher nicht die Gefahr bestand, dass fliegende Funken hier oben etwas in Brand setzen konnten. Nun schwang er sich den Rucksack auf den Rücken. Caroline zog den Reißverschluss ihrer Jacke hoch. Mit Stiefeln und Handschuhen, Mütze und Kapuze war sie bereit, der Witterung zu trotzen. Darüber, dass Caroline angeseilt ging, hatte es diesmal keine Auseinandersetzung gegeben. Sie sah ein, wie leicht sie auf dem eisigen Grund ausrutschen konnte.
„Fertig?“, fragte er lächelnd, doch auch dieses Lächeln war ganz anders als am vergangenen Abend. Dieser Abend war vergangen und vergessen, und jetzt wollte Rafe sie vermutlich so schnell wie möglich wieder loswerden.
„Werden wir es vor der Dunkelheit schaffen?“, fragte sie.
„Garantiert“, erwiderte er aufmunternd.
Sie verließen das Haus, verschlossen die Tür hinter sich und schritten durch die Nebelschwaden über das Plateau. Um sie herum toste der Wind. Caroline musste schreien, um sich verständlich zu machen. „Es war unglaublich! Vielen Dank. Aber jetzt brauche ich ein Hotel mit einem Bad. Ich werde stundenlang in der Wanne liegen müssen, um wieder sauber zu werden.“
„Nur keine Sorge“, erwiderte Rafe spöttisch. „Du wirst bald wieder in der Zivilisation sein.“ Insgeheim hatte Caroline gehofft, dass er sie zum Bleiben auffordern würde, doch sie wurde enttäuscht. Sei’s drum, dachte sie. Sie hatte alles erledigt, weswegen sie hergekommen war. Sie hatte die alten Freiheitskämpfer kennengelernt und war in die Berge gestiegen.
Caroline Hammond und Rafe Drayford waren sich doch nicht so ähnlich, sondern im Grunde völlig verschieden. Zwar waren sie jetzt durch das Seil aneinander gebunden, doch wenn sie erst wieder auf sicherem Boden waren, würden sich ihre Wege trennen.
Niemand würde wissen, wo Rafe sich aufhielt, bis vielleicht eines Tages wieder ein Brief mit einer anderen Adresse auf Virginia Grove ankam. Seine Mutter würde sie wohl kaum ein zweites Mal nach ihm ausschicken. Wenn sie, Caroline, also Kreta verließ, würde sie ihn vermutlich nie wieder sehen. Aber das war auch gut so. Zwei Tage und zwei Nächte mit ihm waren genug.
Bergab ging es keinesfalls leichter als bergauf. Manchmal war es sogar schwieriger, weil Caroline sehen konnte, wie steil es vor ihr hinabging. Bald machten sich auch ihre verspannten Muskeln wieder bemerkbar.
Ein paar Mal rasteten sie, notdürftig unter überhängenden Felsen vor dem eisigen Wind geschützt. Caroline wurde rasch müde, doch Rafe war ein guter Führer. Er richtete das Tempo so ein, dass sie mithalten konnte, und half ihr behutsam über die schwierigsten Stellen hinweg.
Der Nebel hatte sich zwar gelichtet, doch von Zeit zu Zeit zogen noch immer dicke Schwaden über den Berg. Dann konnte man kaum die Hand vor den Augen sehen. Rafe hielt sie sicher auf dem schmalen Pfad. Tief unten sah Caroline das Dorf. Sie sehnte sich danach, es endlich zu erreichen. Dort war es warm, und es gab etwas zu essen, und dort wartete auch ihr Wagen, der sie von hier fortbringen würde.
Sie kamen an der Schäferhütte vorbei und schritten über das Weideland. Sie waren schon fast in Rufweite des Dorfes, als Caroline ausrutschte. Der Klang der Glocke einer Ziege hatte für einen Moment ihre Aufmerksamkeit abgelenkt. Als sie sich nach dem Tier umgedreht hatte, war sie auf einer Eisplatte unter dem Schnee ausgerutscht und hingefallen. Sie rutschte nicht weit, bis das Seil sie aufhielt, und sie war fast schon wieder aufgestanden, als Rafe bei ihr war. „Lass uns versuchen, nicht auf dem Po ins Dorf zu rutschen“, sagte er spöttisch. Caroline funkelte ihn nur wütend an. Er konnte zwar nichts dafür, dass sie ausgerutscht war, aber seine Überheblichkeit ärgerte sie maßlos.
Wie eigenartig, dachte Caroline, während sie sich den Schnee von der Hose klopfte. Jetzt empfinde ich wieder das Gleiche für ihn wie vor unserem Aufbruch. Dort oben muss ich wohl höhenkrank gewesen sein. Hier unten ist Christophers Bruder genauso unsympathisch, wie Christopher ihn immer beschrieben hat.
Sie biss die Zähne zusammen und konzentrierte sich auf die letzten Meter des Abstiegs, der sie Schritt für Schritt dem Dorf und damit dem Abschied von Rafe Drayford näher brachte. Als sie das erste Haus erreichten, löste Caroline das Seil, das sie mit ihm verband.
Ein Mann rief von einem der Häuser herüber, und Rafe antwortete. Offenbar
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