Romana Gold Band 13
das Essen für Caroline zu holen. Sie stieg die Leiter hinauf und setzte sich auf den Boden, um die Schuhe auszuziehen. Sie fühlte sich miserabel und war den Tränen nah. Sie wusste, dass sie Elpida nicht willkommen war, aber die junge Griechin hatte überhaupt keinen Grund, so feindselig zu sein. Rafe gehörte doch ihr!
Sie, Caroline, hatte Christopher, und sobald sie von hier fort war, würde sie wieder anfangen, an ihn zu denken … wie gut er aussah, was für ein toller Mann er war und wie sehr sie sich wünschte, den Rest ihres Lebens mit ihm zu verbringen.
Doch irgendetwas stimmte nicht, denn das Bild, das vor ihrem inneren Auge entstand, war sehr undeutlich. Sie lag auf dem Feldbett unter der schweren Decke und fragte sich, warum die Freude auf das Wiedersehen mit Christopher so getrübt war.
Die Falltür stand offen, und Caroline hörte die Schritte auf dem festen Lehmboden unter sich. Sie war erleichtert, dass Rafe allein kam. Sie richtete sich auf und wartete. Noch bevor er in der Öffnung erschien, war Christophers Bild verflogen. Schon morgen wird es umgekehrt sein, beruhigte sie sich. Wenn sie erst wieder zu Hause war, würde von Rafe Drayford nur eine blasse Erinnerung bleiben.
Er stellte das Tablett neben dem Bett auf den Boden und legte ihre Tasche daneben, die sie beim Nachbarn zur Aufbewahrung hinterlassen hatten. „Alles in Ordnung?“, fragte er und musterte sie prüfend.
Caroline nickte. „Fix und fertig, aber in Ordnung.“
„Iss noch etwas, und dann schlaf“, forderte er sie auf. Es war mehr als genug für zwei auf dem Tablett, doch er wandte sich zum Gehen.
„Viel Spaß“, rief Caroline ihm nach, als er die Falltür hinter sich zu schließen begann.
Rafe hielt inne. „Wieso glaubst du, dass nur du erschöpft bist?“
„Du doch nicht!“ Nicht solange Elpida auf dich wartet, fügte sie in Gedanken hinzu.
„Du erwartest viel Stehvermögen von deinen Männern, stimmt’s?“ Er sah sie gespielt erschrocken an. „Du könntest Christophers Tod sein.“ In seinen Augen funkelte es, und gegen ihren Willen musste Caroline lachen.
Sie hatten beide in der letzten Nacht nicht viel Schlaf bekommen, und auch für ihn war es vermutlich nicht einfach gewesen, mit ihr im Schlepptau den Berg hinauf- und wieder hinunterzusteigen. Vielleicht hatte Elpida doch keine so aufregende Nacht vor sich! Caroline lächelte stillvergnügt.
Jetzt war sie wirklich hungrig. Sie bestrich ein Stück Brot mit Butter und biss herzhaft hinein. Es schmeckte wunderbar. Am nächsten Tag würde man ihr das Essen stilvoller servieren, und sie würde nicht mit einem Jagdmesser Butter verstreichen, Käse schneiden und Tomaten aufspießen. Doch jetzt erschien ihr das als die natürlichste Art, eine herzhafte Mahlzeit zu sich zu nehmen.
Caroline leerte fast den ganzen Weinkrug, doch es machte ihr nichts aus. Heute brauchte sie nur noch zu schlafen. Morgen würde sie sich in einem guten Hotel verwöhnen lassen. Dann konnte sie auch planen, wie sie den Rest ihres Urlaubs auf Kreta verbringen würde.
Knossos musste sie natürlich besuchen. Um diese Jahreszeit waren nicht so viele Touristen unterwegs. Mit ein bisschen Glück würde sie den Palast der tausend Zimmer, oder was davon noch übrig war, ganz für sich allein haben. Sie wollte die Schlangengöttin sehen und die Wandzeichnungen mit den Athleten auf wilden Stieren – einfach alles, was Kreta an Sehenswürdigkeiten zu bieten hatte.
Natürlich musste sie auch Geschenke für die Daheimgebliebenen einkaufen. Es würde nicht ganz leicht sein. Christopher besaß praktisch alles, was er sich nur wünschen konnte, und das Einzige, was Anna Drayfords Herz begehrte, waren Neuigkeiten über ihren verlorenen Sohn. Caroline leerte ihr Glas. Morgen würde sie in aller Frühe von hier verschwinden.
6. KAPITEL
Als Caroline im Morgengrauen erwachte, hatte sie Kopfschmerzen und einen leichten Kater. Glücklicherweise hatte sie Kopfschmerztabletten bei sich, und sie schaffte es sogar, sie ohne Wasser zu schlucken. Ein paar Minuten blieb sie noch still auf dem Bett liegen, bevor sie aufstand und in ihre Schuhe schlüpfte.
Der Blick in den kleinen Make-up-Spiegel ließ sie erschauern. Ihr Haar war zerzaust und die Wimperntusche verschmiert. Sie brauchte eine Weile, um sich notdürftig herzurichten. Dann öffnete sie vorsichtig die Falltür. Rafe saß unten am Tisch. Er blickte zu ihr auf und begrüßte sie vergnügt. „Guten Morgen.“
Ihre Antwort fiel etwas gedämpft aus.
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