Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition)
Babyleichen in einer Kühltruhe entdeckt, eingewickelt in Plastiktüten. In Freital, Sachsen, bringt eine Mutter einen Säugling um, den ihr eigener Vater gezeugt hat. In Gera wirft eine 32-Jährige ihr Baby lebend in den Fluss Weiße Elster. Ein paar Tage später wird bei Plauen ein totes Kind in einer Wohnung gefunden. Die 15-jährige Mutter hat es verhungern und verdursten lassen. Und am 26. Juni nimmt die Polizei in Frankfurt/Oder Daniela J. fest, 23 Jahre alt.
Daniela hat am 11. Juni ihre Wohnung im Stadtteil Kleinberesinchen verlassen, nachdem sie sich wieder einmal tagelang mit ihrer Mutter gestritten hatte, der Oma von Kevin (3) und Tobias (2). Die Thomasiusstraße in Kleinberesinchen – Plattenbau, Alkohol, Arbeitslosigkeit – ist ein Ort, an dem man leicht den Boden unter den Füßen verliert. Daniela geht zu ihrem Freund, einem 39-jährigen Maurer, und bleibt dort zwei Wochen. Man geht spazieren, man besucht Kneipen. Daniela leiht sich Hosen und Hemden des Freundes. Kevin und Tobias sterben währenddessen in der Wohnung einen grausamen Tod.
Für solche Mütter fordern 55 Prozent der Bundesbürger die Todesstrafe. Das hat Emnid ermittelt. Die sogenannte Kindsmörderin ist das Böse schlechthin.
Erster Zeuge ist Jörg. Danielas Freund, der Maurer. Bei seinem Auftritt vorm Frankfurter Landgericht, 5. Strafkammer, trägt er enge Lederklamotten. Jörg gibt sich wortkarg. Nein, mit Daniela will er nichts mehr zu tun haben. Niemand will das.
Die Anklage heißt: Totschlag. Damals, vor der Tat, hat Jörg manchmal zu ihr gesagt: »Es wäre schöner, wenn du keine Kinder hättest.« Eines Tages ist Danielas Vater zu Jörg gekommen. Der Vater bat Jörg anzurufen, falls Daniela einmal alleine bei ihm aufkreuzt und längere Zeit bleibt. Damit den Kindern nichts passiert. Sie kümmere sich nämlich nicht um Kevin und Tobias.
Jörg hat aber nicht angerufen. Daniela sagte zu ihm: »Ich weiß nicht, wo die Kinder sind.« Sie log oft, das wusste Jörg. Nach zwei Wochen hatte er dann genug von Daniela, außerdem bekam er wegen der Kinder allmählich ein mulmiges Gefühl. Da warf er sie raus.
Daniela hat ihm auch mal erzählt, dass ihr Vater sie vergewaltigt habe. Jörg sagt: »Das hat mich nicht interessiert.«
Später am Tag tritt Danielas Vater in den Zeugenstand, Beruf Kraftfahrer. Der Vater, gegen den ein Ermittlungsverfahren wegen Missbrauchs der Tochter läuft, sagt über Daniela: »Kein Mann ist so verrückt, dass er sich zweimal von der ficken lässt.«
Kevin und Tobias verdursten. Vorher schreien sie tagelang und klopfen gegen die Heizung. Wieder und wieder und wieder. Ein Nachbarmädchen will außerdem beobachtet haben, wie die Jungen mit Fäusten und Löffeln gegen ein Wohnungsfenstertrommeln. Sie kämpfen, sie versuchen alles, obwohl sie noch so klein sind. Eine Plastiktüte mit Wurst, die ihre Mutter ihnen in den Flur gestellt hat, wird unberührt gefunden.
Zum Prozess gegen Daniela sind viele Nachbarn gekommen. Meist sind es Frauen, von der Schülerin bis zur Rentnerin. Der Saal ist überfüllt. Man kennt sich. Nicht alle sind nüchtern. Matthias R., Nachbar, schreit und tobt beinahe pausenlos auf dem Flur. Er ist Anfang 40, trinkt und nimmt Heroin. Hüftlange Haare, Lederjacke mit Fransen.
Matthias und seine Frau haben die sterbenden Kinder tagelang am lautesten brüllen hören, sie waren am nächsten dran. Deswegen musste Matthias extra aus dem Schlafzimmer in das Wohnzimmer umziehen, da war es leiser. Dass Daniela wieder mal weg war, konnte man zumindest ahnen. Frau R., Mitte 20, zum vierten Mal schwanger, sagt: »Das war ja nicht mein Problem.« Als ihr Mann zum Zeugenplatz geführt wird, versucht er sich auf Daniela zu stürzen, er ruft: »Du Arschloch! Du fette geile Sau!«
Im Flur treffen sich die Zeugen vor und nach ihrer Aussage und können einander darüber informieren, was die 5. Strafkammer so alles wissen möchte. Während der Vernehmung ihres Mannes sitzt Frau R. sogar im Saal, anschließend bestätigt oder korrigiert sie seine Aussagen. Das alles entspricht nicht gerade den üblichen Gepflogenheiten, aber darauf kommt es in diesem Fall wohl nicht an. Der Angeklagten schlägt Hass entgegen, eine geschlossene Front des Hasses. Dass Daniela J. eine Pflichtverteidigerin hat, Kerstin Boltz, die tatsächlich versucht, ihre Mandantin zu verteidigen, können die Zuhörer nicht so recht akzeptieren, und das Verhalten der Vorsitzenden Richterin Jutta Hecht scheint die Zuhörerzu
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