Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition)
mochten diesen Stil.
Also wurde Suhrkamp der Meisterwerkverlag mit den superberühmten Autoren, er hatte sie fast alle, außer Günter Grass. Unseld konnte zum Mittagessen mit Autoren mühelos eine Flasche Wein und hinterher Cognac trinken, das steht in seiner Biographie. Dann wurde Unseld alt, heiratete eine junge Geliebte, verstieß den Sohn, konstruierte eine komplizierte Nachfolgeregelung, die zu beschreiben 100 Seiten kostet, starb, und die junge Witwe setzte sich in den postmortalen Diadochenkämpfen als neue Verlagsherrscherin durch. Im Grunde ist das die Story. Sie entspricht natürlich dem Klischee von der zielstrebigen jungen Witwe und ist geeignet, die Witwenfeindlichkeit in unserer Gesellschaft zu schüren. In einem Artikel der »Welt« wird zum Beispiel ziemlich unverblümt suggeriert, sie habe sich hochgeschlafen.
Natürlich. Die alte Machophantasie – erfolgreiche Frauen schlafen sich halt hoch. Aber wenn so was erscheint, erfolgt heute sofort ein Echo in Form von frauensolidarischen Artikeln, sogar in der »FAZ«, die für ihren Feminismus nicht berühmt ist.
Aber was ist die Wahrheit? Ulla Schmidt aus Gießen, in der Jugend offenbar verhaltensunauffällig, hat sich irgendwann, laut Literaturlexikon, in Berkéwicz umbenannt. Ihre Oma hieß nämlich Berkowitz. Ulla Schmidt hat »ihre jüdischen Wurzeln entdeckt«, heißt es in den Biographien, was immer das konkret bedeuten mag, sie wurde Schauspielerin und war zeitweise die Ehefrau eines berühmten Regisseurs. Später hat sie mythenschwere Bücher verfasst. In einer Kritik stand, dass sie schreibe wie »ein überheiztes russisches Zimmer, in dem man sich auf einem Diwan hin- und herwälzt, bemüht, die allzu schweren Speisen zu verdauen«.
Geheiratet haben sie und Unseld an Goethes Geburtstag, genau zur Geburtsstunde. Martin Walser war Trauzeuge. Vor der Braut stand ein kleiner siebenarmiger Leuchter, ein jüdisches Symbol, damit keiner die alte Ulla Schmidt mit der neuen Ulla Berkéwicz verwechselt.
Anruf beim alten Kritiker. »Der Unseld und die Autorinnen ... Aber der Verlag, wissen Sie, der Verlag ist schon vor seinem Tod im Niedergang gewesen. Ulla ... eine schöne Frau. Warum soll sie den Verlag nicht weiterführen? Die will was. Und ihre okkulten Neigungen ... Man kann ein bisschen verrückt sein und trotzdem eine gute Verlegerin, oder? Ach, das Ganze wäre so eine tolle Filmstory für den Dietl. Lesen Sie Walser. Und zitieren Sie mich um Gottes willen nicht!«
Er hat natürlich recht. Im Grunde wird fast alle große Kunst von exzentrischen Charakteren hergestellt. Ich lese Walser, »Tod eines Kritikers«. Eigentlich handelt das Buch mehr von Ulla Berkéwicz als von Marcel Reich-Ranicki, möchte man meinen. Walser beschreibt sie als Autorin von Büchern wie »Traumstein« oder »Quarzherz«, an der Borderline zwischen Genie und Wahnsinn, und schöner als dieschönste Sünde. Am Ende des Buches ist Unseld tot, der damals noch lebte, und das Alter Ego von Martin Walser, also der Charakter, den fast alle Kritiker für sein Alter Ego hielten, liebt Ulla hingebungsvoll unter einem Hexenstern. Die Indizien deuten stark darauf hin, dass er scharf ist auf sie. Solche Trauzeugen hat man gerne!
Wenn man mit Leuten über Suhrkamp redet, hat man immer wieder das Gefühl: Sie haben Angst. Man möchte andauernd rufen: Es ist doch nur ein Verlag, um Himmels willen!
Anruf beim jungen Kritiker: »Suhrkamp, das ist wie eine Sekte. Schau dir den Verlag von innen an, dann weißt du alles. Sie hat übrigens, als Unseld krank war, ukrainische Hexen einfliegen lassen.«
Komisch: Schon wieder werden Ukrainerinnen in der deutschen Kulturszene aktiv, wie in der Affäre Friedman! »Woher weißt du denn das mit den Hexen?« »Hör dich um. Jeder erzählt das. Sie lässt sich auch in Heilschlaf versetzen. Wochenlang. Aber zitier mich bloß nicht.« Angeblich, laut Spiegel, steht sie während Konferenzen auf und berät sich mit dem toten Unseld. Was der wohl sagt?
Unseld, Suhrkamp, da denkt man immer: links, rationalistisch, 68er. Eigentlich hat das nie ganz gestimmt. Das Ganze hatte auch immer mit deutscher Innerlichkeit und mit Romantik und Pathos zu tun. Unselds Lieblingsautor war Hermann Hesse. Folge niemandem, sei du selbst. Das ist Hesse. Der Verlag war und ist eine Art Kirche des guten Buches. Der Dichter als Seher, Dichtung als göttliche Stimme. Die Edition Suhrkamp in den Farben des Sonnenspektrums. Insofern passt alles zusammen. Zum 50.
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