Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition)
Lebensverlängernde Wirkung besitzt dieser Titel nicht.
Hirschmann erzählt: »Das, was auf der Weide steht, das, was man sieht, sind meistens Fleischkühe.« Die brauchen Gras und Sonne, damit am Ende das Produkt etwas taugt. Nach Hirschmanns Ansicht leben die Kühe in den modernen Hallen nicht unbedingt schlechter als im traditionellen Stall des Kleinbauern, wo sie mit hochgebundenem Schwanz festgebunden sind und sich oft nicht einmal kratzen können. In der Halle dürfen sie sich immerhin bewegen, wie sie wollen.
Zurzeit ist der Mensch damit beschäftigt, durch Zucht zwei neue Tierarten zu erschaffen, die Milchkühe und die Fleischkühe. In Maria Rollingers Buch »Milch besser nicht«, sozusagen der Bibel der Milch- und Milchwirtschaftskritiker, wird auch über eine heraufdämmernde dritte Kuhart gesprochen,die Käsekuh. Züchter versuchen, Exemplare mit besonders hohem Kaseingehalt in der Milch herzustellen, diese Designer-Kuh gibt dann sozusagen Käsemilch. Die wirtschaftlich optimale Kuh, schreibt Rollinger, lebt immer kürzer und gibt in dieser Zeit immer mehr Milch, am besten 20 000 Liter für ein oder zwei Jahre. Dann ist sie fertig, ausgebrannt, durch Produktion vernichtet.
Man denkt: Milch, ein klassisches Grundnahrungsmittel. Das stimmt aber gar nicht. Im »Jahrbuch für Statistik« des Deutschen Reiches taucht das Produkt »Vollmilch« erst 1919 zum ersten Mal auf, die erste detaillierte deutsche Milcherzeugungsstatistik stammt von 1930. Erst seit etwa hundert Jahren trinkt der europäische Mensch in größerem Umfang Milch, dies allerdings mit unablässig steigender Tendenz.
Der frühe Mensch hat Tiere nicht gemolken, sondern gejagt. Unter den Nutztieren ist das Rind ein Spätankömmling, vor 8000 Jahren erst wurde es gezähmt. Den Menschen fiel auf, dass die Milch des Rindes schnell schlecht wird. Deswegen hat er die Milch zu Käse und Butter verarbeitet, beides hält länger. Bis ins 19. Jahrhundert hinein galt Milch als eklig, immerhin handelt es sich um eine tierische Körperflüssigkeit.
Die frühen Kühe haben, wie Historiker zu wissen glauben, um die 400 Liter pro Jahr produziert, Fettgehalt zwei Prozent. Heute geben manche Kühe das Fünfzigfache, 20 000 Liter, Fettgehalt über vier Prozent. Wegen des hohen Fettgehaltes bekommen die Kälber diese Magenprobleme. Im Jahr 1800 wog die Durchschnittskuh 250 Kilo, heute sind es 700 Kilo. Ist das überhaupt noch das gleiche Tier?
Zwei technische Revolutionen haben das Lebensmittel Milch überhaupt erst möglich gemacht. Erstens die Eisenbahn und das Auto, wegen des schnelleren Transportes.Zweitens die Ammoniak-Kompressionsmaschine, der erste Kühlschrank. Carl von Linde, 1874.
In den ersten Jahrzehnten war das Geschäft mit der Milch noch eine Sache von Kleinhändlern, oft lag es in den Händen von jungen Frauen. Typisch für die Städte sind vor dem Ersten Weltkrieg die Milchmädchen gewesen, die im Auftrag der Bauern mit ihrem Karren herumzogen und die sich bei den Rechnungen manchmal vertaten. Die Milch wurde lose verkauft, in Kannen, sogar noch bis in die 60er Jahre hinein, als die Milchmädchen bereits von den Milchgeschäften verdrängt worden waren, die ihrerseits bald darauf von den Supermärkten verdrängt wurden.
Der Staat förderte den Milchkonsum, weil Milch als gesund galt, zum Beispiel finanzierte der Staat den Bau von Milchhäuschen. Das Proletariat sollte Milch trinken statt Bier. Diese Erziehungsmaßnahme ist bekanntlich nur ansatzweise gelungen.
Währenddessen stieg, durch Zucht, durch Kraftfutter, durch bessere Melkmaschinen und durch radikales Aussortieren jeder Minderleisterin, ununterbrochen die Milchproduktion jeder einzelnen Kuh. 1935 gab sie 2500 Liter im Jahr. 1970 schon 4000. Jetzt 20 000 in der Spitze. 8000 bis 10 000 sind normal.
Moderne Milch ist weitgehend keimfrei, durch Pasteurisieren. Wenn man sie stehen lässt, wird, anders als früher, keine Dickmilch mehr aus ihr. Sie wird einfach nur schlecht. Bis dahin aber wirkt sie frisch, obwohl der Weg von der Kuh zum Supermarkt in der Regel mehrere Tage dauert. Der Eindruck unverwüstlicher Frische entsteht dank des Homogenisierens. Beim Homogenisieren werden die Fettkügelchen in der Milch verkleinert, so dass sich oben kein Rahm mehr absetzt, dieMilch sieht auch schöner aus. Bei der Verarbeitung werden Rahm und Flüssigkeit voneinander getrennt, dabei entsteht fettfreie Milch, das sogenannte Milchplasma. Anschließend werden beide Bestandteile, Plasma
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