Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition)
Schwarzgelb.
Hauptstreitpunkt in der Kommunalpolitik ist der Verkehr. Es wird viel geblitzt, zu viel nach Ansicht des ADAC. Osnabrückträgt auch den Titel »autofeindlichste Stadt Deutschlands«, verliehen vom Sender Sat 1. Die CDU hat das kostenlose Parken in der Innenstadt und die grüne Welle an den Ampeln eingeführt und die Baumschutzsatzung abgeschafft. Sie haben die Zuschüsse für einige Frauenprojekte und für die Walpurgisnacht zusammengestrichen und stattdessen zwei neue Familienzentren gegründet. Das war der Machtwechsel. Der Kulturetat wurde weitgehend geschont.
Karin Detert sagt einen besonders interessanten Satz: »In Osnabrück gibt es keine Neonazis.«
Am vergangenen Wochenende fanden in Osnabrück allerdings »Chaostage« statt, 200 Punker lagerten im Hasenpark. Das war in der Zeitung nur eine kurze Meldung. »Ein Punkkonzert wurde von der Polizei unterbunden, da keine Genehmigung vorlag ... Ein Großteil der Punks verließ Osnabrück am frühen Sonntagmorgen.«
Klaus Terbrack ist der wichtigste Osnabrücker Veranstalter und Kulturmanager. Er selber nennt sich »Kulturplaner«. Er sagt: »Ich bin Lokalpatriot und Kosmopolit.« Er führt durch seine Stadt, aus Spaß, einfach so. Das wichtigste neue Bauwerk ist das Felix-Nussbaum-Museum, von Daniel Libeskind. Es sieht genauso aus wie das Berliner Jüdische Museum, nur kleiner. Nussbaum, der jüdische Maler, wurde von den Nazis ermordet. Jetzt schaut sein Museum von oben auf das ehemalige Braune Haus herab, die NSDAP-Zentrale, direkt nebenan.
»Wir haben hier alles, nur kleiner.« Klaus Terbrack sagt, was alle sagen: Osnabrück ist so wunderbar überschaubar. Fünf Minuten Fußweg, und du bist überall. Großstadt und Dorf gleichzeitig. Enge ist ein Vorteil. Provinz ist schön.
Auch die Lokalredakteurin von der »Neuen Osnabrücker«sagt das. Im Archiv, auf der Suche nach einer Negativstory über Osnabrück, findet man nur einen länger zurückliegenden Text über eine fehlende Toilette für die Boulespieler im Schlosspark.
Das Bündnis gegen den Irakkrieg, erzählt die Redakteurin, sei weitgehend identisch mit dem Bündnis gegen Ausländerfeindlichkeit. »Aber ausländerfeindliche Übergriffe gibt es hier gar nicht.« Ein Bündnis, das sich gegen etwas richtet, das es nicht gibt. Osnabrück bemühe sich heftig um jüdische Aussiedler aus Russland, damit es wieder eine große jüdische Gemeinde gibt, die etwas hermacht. In der Fußgängerzone werden am gleichen Nachmittag Flugblätter verteilt, tatsächlich, eine kleine Demo vor einem Kiosk. »Keine Nazipresse in Osnabrück!« Der Kiosk verkauft die »Nationalzeitung«.
Diese kleine Stadt hat alles, wirklich alles, nur keine bösen Menschen. Bevor Osnabrück den Titel »Friedensstadt« angenommen hat, erzählt die Redakteurin, nannte es sich »Stadt der goldenen Mitte«.
Was für eine Titanenkraft es gekostet hat, aus dem alten, bösen Deutschland das neue, gute Deutschland zu machen: In Osnabrück spürt man es an fast jeder Straßenecke. Es ist gut, wirklich, es ist vor allem viel besser als das Gegenteil, aber das alles kommt doch noch sehr verkrampft rüber und alles andere als selbstverständlich. Es herrscht eine Art geistig-moralischer Muskelkater. In der deutschen Friedensstadt versteht man sofort, warum es für Deutschland ganz und gar unmöglich gewesen ist, beim Irakkrieg mitzumachen, wahrscheinlich selbst dann nicht, wenn die Amerikaner überzeugende Argumente gehabt hätten.
Und das Glück?
Bei Meller, in der Osnabrücker Fußgängerzone, gibt es eineganze Abteilung mit Ratgebern zum Glücklichsein. Sie heißen: Jeden Tag weniger ärgern. Die sieben Gesetze des Glücks. Der Glücks-Faktor. Glück beginnt im Kopf. Ab heute besser drauf. Wege zum Glück. Umarme dein Glück. Das Buch »Wie Sie sich Ihr Leben gründlich versauen« ist bei näherem Hinsehen auch nur ein Ratgeber zum Glücklichsein, ein ironischer halt.
In »Die Glücksformel« von Stefan Klein steht etwas über Länder. Auch das wurde vor ein paar Jahren untersucht. Am glücklichsten sind die Menschen in Holland, Island und Dänemark, am unglücklichsten in der Ukraine und Moldawien. Deutschland und die USA liegen im Mittelfeld.
Glück hat gar nicht so viel mit Reichtum oder Armut zu tun. Ghana ist ärmer als die Ukraine, aber rangiert relativ weit oben. Klein sagt, dass vor allem Neid, Stress und Unsicherheit die Menschen unglücklich machen. Länder mit relativ gleichmäßiger Verteilung des Wohlstandes oder
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