Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition)
misslungene ist gut für eine Komödie.
Manche Vorfälle bringen Leute von ganz allein zum Lachen, etwa der berühmte Mann, der auf der Bananenschale ausrutscht und damit die Schadenfreude hervorkitzelt. So etwas wirkt aus sich heraus, es braucht keinen Humoristen. Der Alptraum jedes Humorproduzenten ist deshalb ein Auftraggeber, der sagt: »Schreib uns etwas Lustiges über den Mann, der auf der Bananenschale ausrutscht.«
Man könnte über komische deutsche Schriftsteller schreiben, von Ringelnatz bis Robert Gernhardt, über Filmkomiker wie Heinz Rühmann oder Bully Herwig, über Zeichnervon Wilhelm Busch bis Walter Moers, über Fernsehcharaktere wie Harald Schmidt und Hape Kerkeling, über Musikclowns wie Insterburg und Co., Ulrich Roski und die Rodgau Monotones, über Filmkomödien von May Spills und Frank Beyer. Man kann sogar das Komische aus den anscheinend so ernsten Romanen von Wilhelm Genazino und den Stücken von Bert Brecht herausdestillieren. Anschließend kann man versuchen, immer noch zu behaupten: Die Deutschen haben keinen Humor.
Ein Genre ist über die letzten Jahrzehnte hinweg in Deutschland besonders gediehen, der Sketch, das kleine humoristische Stück, gespielt und abgefilmt.
Karl Valentin, geboren 1882, gestorben 1948, hat die womöglich typische Biographie eines Humoristen. Alle seine Geschwister, es sind drei, sterben früh. Die Schule erlebt er als »Zuchthaus«. Nach dem frühen Tod des Vaters übernimmt er dessen Firma, eine Spedition, und führt sie in den ersten Bankrott seines Lebens. Weitere Bankrotte werden folgen.
Valentin leidet unter Asthma und seinem grotesk dürren Körper. Diesen Körper macht er, zusammen mit der Sprache, zum Werkzeug seiner Komik. Auch als erfolgreicher Komiker bleibt er scheu, gepeinigt von Ängsten und Phobien, darunter einer Einbrecher- und einer Zugphobie. Er ist ein Hypochonder, der im Laufe seines Lebens fast 90 Ärzte beschäftigt.
Einige von Valentins Sätzen sind Klassiker geworden: Eigentlich ist schon alles gesagt worden. Aber noch nicht von allen. Fremd ist der Fremde nur in der Fremde. Mögen täten wir schon wollen, aber dürfen haben wir uns nicht getraut.
Dieser Humor steht in der Tradition des Dadaismus. Derwinterfeste, mit Hasenfell ummantelte Zahnstocher, den Valentin entworfen hat, schlägt eine Brücke zum Surrealismus. Oft wird Valentin als Vollbayer verbucht, allerdings hat er zwei Jugendjahre in Zittau, Sachsen, verbracht. Das Gefühl, sprachlich nicht zu Hause zu sein, einen von seiner Umwelt als lächerlich empfundenen Dialekt zu sprechen, hat Valentins Sprachwitz vermutlich die verzweifelte Note gegeben, den letzten Schliff.
Er inszeniert sich als einer, der nicht verstanden wird und nicht versteht. Bei Valentin ist die Welt unbrauchbar, weil die Gegenstände ein eigenes Leben führen und sich gegen die Menschen auflehnen. In einem seiner klassischen Sketche beginnen in einem Konzert die Notenständer sich zu drehen, sie zwingen die Musiker zu einem absurden Tanz. Es wird nicht klar, warum die Notenständer so etwas tun.
Bertolt Brecht, der mit Valentin befreundet war, hat ihm in eines seiner Programmhefte geschrieben: »Es ist nicht einzusehen, inwiefern Karl Valentin dem großen Charlie Chaplin nicht gleichgestellt werden sollte, es sei denn, man lege allzu viel Gewicht darauf, dass er Deutscher ist.«
Der große Pechvogel Karl Valentin stirbt sogar einen grotesken Tod. Nach einer Vorstellung wird er vom Veranstalter versehentlich im Theater eingeschlossen. In dieser Nacht holt er sich eine Lungenentzündung. Er erliegt ihr am Rosenmontag.
Heinz Erhardt, geboren 1909, gestorben 1979, wächst unter der Minderheit der Deutschbalten auf, sein Vater ist Kapellmeister in Riga. Das berufliche Scheitern, das Leiden am eigenen Körper, die Lust am Wortspiel, an der Verdrehung, das lustvolle Auskosten der eigenen Lebensniederlagen, all das haben Erhardt und Valentin gemeinsam. Erhardt leidetauch unter den damals noch recht unüblichen Scheidungen seiner Eltern – beide heiraten dreimal –, er fällt durchs Abitur und wird zu einer kaufmännischen Ausbildung gezwungen, er selbst wollte Pianist werden.
»Man reichte mich ständig herum«, schreibt er über seine Jugend. »Ich war ein harmloser Langweiler, mit Hemmungen bis unter die Hutschnur.« Zeitlebens schafft Erhardt es nicht, schwimmen zu lernen, er ist dick und fast blind, seine Physis so schwach, dass nicht einmal die Nazis ihn als Soldaten haben wollen. Den Krieg
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