Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition)
verbringt er als Klavierspieler in der Truppenbetreuung.
In den 50er und 60er Jahren ist Erhardt auf die Rolle des gutmütigen, verwirrten Familienvaters abonniert. In Dutzenden von Filmen spielt er den Gegenentwurf zum kriegerischen Männerideal der Hitlerjahre, trottelig, aber lieb, nicht sexy, aber anhänglich, und vor allem lustig. Er versöhnt das deutsche Publikum ein wenig mit der unheroischen Verliererrolle des eigenen Landes. Seinem runden Leib sind die Tröstungen des Wirtschaftswunders anzusehen.
Wie Heinz Rühmann spielt auch Heinz Erhardt den Kindmann, nur in groß. Bei Rühmann ist der Kindmann erotisch. Rühmann, kein Komiker, sondern ein Komödiant, bekommt am Ende die schönen Frauen, im Film wie im Leben. Heinz Erhardt aber will immer nur heim zu Mutti, seine Ruhe haben und gut essen. Auch sein Humor bleibt meistens schlicht, bescheiden und liebenswert. Bei seinen Auftritten soll er, so wird hartnäckig berichtet, eine Brille mit Fensterglas getragen haben, um das Publikum nicht sehen zu müssen, eine Maßnahme gegen sein extremes Lampenfieber. Außerdem pflegte er sich vor Auftritten mit einigen Schnäpsen zu beruhigen, eine Gewohnheit, die er vor seiner Frau geheim hielt.
Dass der Komiker meist ein unsicherer oder unglücklicher Mensch ist, der im Humor ein Mittel findet, seine Ängste in Schach zu halten, gilt ebenfalls als Klischee. Aber für dieses Klischee liefert die Wirklichkeit doch einige Bestätigungen – zum Beispiel die beiden erfolgreichsten komischen Deutschen auf den Bühnen der 30er bis 60er Jahre. Es hängt auch mit den Erwartungen des Publikums zusammen. Das Publikum möchte, wie der Komiker, seine Ängste und Unzulänglichkeiten besiegen, indem es lacht. Der ideale Komiker sieht deshalb wie ein Verlierer aus, aber nicht wie ein hoffnungsloser Fall. Als hoffnungsloser Fall wäre er nämlich tragisch. Die Deutschen aber hatten sich jahrzehntelang in der Welt so penetrant um die Rolle des Siegers beworben, dass bis vor kurzem kaum jemand bereit war, ihnen die komische Rolle des freiwilligen Verlierers abzunehmen.
Heinz Erhardt kann, nach einem Schlaganfall, ab 1971 nicht mehr auftreten. Fast nahtlos schlüpft Otto Waalkes in seine öffentliche Rolle. Waalkes, Jahrgang 1948, tritt 1972 zum ersten Mal vor großem Publikum auf, im Audimax der Hamburger Uni, das er selber gemietet hat. Waalkes bekennt sich zu Erhardt als Vorbild, bis zum Ende der 80er Jahre bleibt er der erfolgreichste komische Deutsche, mit Vicco von Bülow alias Loriot als wichtigstem Rivalen. Auf den nächsten Plätzen folgen Didi Hallervorden und Harald Juhnke im Duett mit Eddi Arent. Heinz Erhardt trat allerdings als Ehemann und Vater vors Publikum, Otto dagegen spielt das Kind. Seine Texte liefern ihm meist Mitglieder der »Neuen Frankfurter Schule« des Humors, deren Zentralorgan die Zeitschrift »Pardon« ist, später »Titanic«, einer seiner wichtigsten Texter wird der Lyriker Robert Gernhardt.
Anders als Erhardt oder Valentin blickt Waalkes auf eineKindheit ohne private oder politische Katastrophen zurück. »Ich bin in einer heilen Welt aufgewachsen«, sagt er selbst. Es ist die Welt der norddeutschen Hafenstadt Emden, Wirtschaftswunder mit Sonntagsschule, Gymnasium und Abitur. Das Verhältnis zu den Eltern ist unproblematisch. Otto studiert in Hamburg ein paar Semester Kunstgeschichte und Pädagogik, dann wird er Komiker. Bereits in Emden hat er die Rolle des Klassenclowns gespielt, eine Rolle, die er nie wieder ablegte, bis heute, obwohl sie für einen Sechzigjährigen immer schwieriger zu spielen ist und den Preis kostet, auf immer größere Teile des Publikums peinlich zu wirken. Otto ist kein Kindmann, er bleibt einfach Kind. Noch in aktuellen Interviews äußert er den Wunsch, »immer der Jüngste zu sein«, zumindest geistig, und die Angst, »die Unschuld zu verlieren«.
Obwohl der Zeitgeist in den Jahren seines Aufstiegs heftig von links weht, politisiert sich Otto höchstens ansatzweise, zumindest auf den ersten Blick. Seine Spezialität bleiben der Kalauer und das Alberne. Weder sind seine Texte so literarisch wie die von Valentin (seine besten Ideen behält Ottos Ghostwriter Robert Gernhardt verständlicherweise für sich selbst), noch wirkt Otto als Bühnenfigur so hilflos, unsicher und melancholisch wie Erhardt, der Nachkriegsdeutsche. Stattdessen schneidet Otto Grimassen, zeichnet, zupft auf der Gitarre und ist auf der Bühne ständig in Bewegung, körperlicher Einsatz, wie ihn weder
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