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Romanzo criminale

Romanzo criminale

Titel: Romanzo criminale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giancarlo de Cataldo
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nicht wie üblich die Kette, sondern ein Paar gewöhnlicher Handschellen an. Ohne zuzusperren. Er brauchte sich nur etwas zu bewegen und sie rutschten von selbst vom Handgelenk. Die Häftlinge gingen ins Souterrain. Fierolocchio schloss die Reihen. Im Vorraum vor den Klos, wo sie mit Dandi das Abkommen getroffen hatten, blieb Fierolocchio zurück. Niemand kümmerte sich um ihn. Er wartete, dass die Seilschaft sich entfernte, streifte die Handschellen ab und ging in den Gerichtssaal zurück. Richter, Anwälte, Soldaten und Zuseher waren alle schon gegangen. In dem Durcheinander von zerrissenem Papier und dem Gestank von Rauch und Schweißfüßen standen nur zwei Männer. Sie warteten auf ihn. Sie öffneten die Käfigtür mit einem funkelnagelneuen Schlüssel, nahmen ihn in die Mitte und führten ihn seelenruhig aus dem Gericht, unter den gelangweilten Blicken der Wachpolizisten. Ein dritter Mann wartete auf dem Parkplatz des Piazzale Clodio auf sie, am Steuer eines diskreten Peugeot. Sie bedeuteten ihm, er möge sich auf den Rücksitz setzen.
    – Nun, fragte der Chauffeur fröhlich, wo fahren wir hin, Scrocchiazeppi?
    – Ich bin aber Fierolocchio!
    Der Gesichtsausdruck des Mannes veränderte sich augenblicklich. Er wechselte mit den beiden anderen einen besorgten Blick, fluchte leise und ordnete sich in den dichten Nachmittagsverkehr ein. Fierolocchio bekam Angst und drückte sich in den Sitz. Aber es passierte nichts. Eine halbe Stunde später luden sie ihn in Torrimpietra ab und schärften ihm ein, den Mund zu halten, falls sie ihn schnappten. Er hätte einen Augenblick der Unaufmerksamkeit ausgenutzt und sei allein abgehauen. Das sei alles gewesen. Von einer Telefonzelle aus rief Fierolocchio seine kleine Witwe an.
    – Ich bin’s. Ich bin frei.
    Die Abendnachrichten berichteten gleich zu Beginn von der Flucht. Hauptthema: Alarm wegen der Macht des organisierten Verbrechens. Ricotta entkorkte Dandi zu Ehren eine Flasche Champagner.
    – Freund, du bist großartig. Wenn noch mal wer was gegen dich sagt, dann schneide ich ihm den Schwanz ab!
    Scrocchiazeppi und Bufalo stritten sich heftig und sprachen nichts mehr miteinander. Aus Scham und Wut schnitt sich Scrocchia die Vorderarme auf und verbrachte die Nacht auf der Krankenstation. Borgia rief Vecchio an, aber eine freundliche Sekretärin teilte ihm mit, der Herr Doktor weile in Istanbul bei einem erweiterten europäischen Gipfeltreffen in Sachen Sicherheitspolitik. Am Tag darauf beschuldigte der Staatsanwalt beim Prozess öffentlich die Geheimdienste. Immer wenn Dandi, der zwischen Botola und Ricotta auf dem Thron saß, dem Blick Bufalos begegnete, grinste er ihn verächtlich an.
IV.
    Freddo floh in der Nacht, in der die Wolke von Tschernobyl die ganze Welt in Atem hielt. Bereits eine Woche zuvor hatte Borgia alle Polizisten durch unbestechliche Typen ersetzt. Vielleicht ahnte er etwas. Die letzten drei Tage hatte Freddo nur noch im Bett gelegen. Man hatte ihm die Leibschüssel gebracht. Er weigerte sich zu essen. Er röchelte. Im Delirium rief er Libanese und seine Mutter. Er kaute Rizinussamen und Tabak, die ihm der Pfleger Nasello brachte, damit das Fieber stieg. Mainardi besuchte ihn alle drei Stunden. Beim Verlassen des Zimmers schüttelte er den Kopf. In Anwesenheit des Streifenführers teilte er Roberta mit lauter Stimme mit, dass es mit dem Kranken zu Ende gehe. Roberta raufte sich die Haare, wie es sich für eine zukünftige Witwe gehörte. Gerührt bot der Streifenführer an, die Verwandten zu rufen. Roberta warf sich schluchzend an seinen Hals und schaffte es mit einem Augenaufschlag, dass ein Polizist sie nach Hause begleitete. Man durfte der Armen nicht so viel zumuten. Der Streifenführer verfasste einen umfangreichen Bericht und setzte sich wegen der unmittelbar bevorstehenden Autopsie mit dem Staatsanwalt in Kontakt. Als der Augenblick gekommen war, verstopfte Freddo das Klo mit Stofffetzen, steckte sich zwei Finger in den Mund und kotzte auf die Bettdecke. Dann gab er ein nicht enden wollendes, herzzerreißendes Heulen von sich. Die Wachepolizisten liefen zu Mainardi. Freddo kotzte noch immer. Der Arzt sagte, im Erdgeschoss befinde sich eine geeignete Toilette. Freddo wurde auf die Bahre gelegt und hinuntertransportiert. Mainardi ging mit ihm auf die Toilette. Freddo zog den Pyjama aus. Darunter trug er Jeans und ein sauberes Hemd. Er wollte der Freiheit angemessen gekleidet gegenübertreten. Er drückte Mainardi die Hand und verpasste ihm einen

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