Romanzo criminale
Deshalb. Und natürlich wegen ihr.
V.
Auch sie suchten Freddo. Sowohl Dandi als auch Bufalo bemühten sich, Kontakt zu dem Untergetauchten herzustellen. Solange Freddo in Freiheit war, war er ein Trumpf, den man bei der noch immer offenen Partie ausspielen konnte. Er war entweder ein wertvoller Verbündeter oder ein gefährlicher Feind: Man musste herausfinden, was. Roberta konnte sich eine Zeitlang vor Besuchen nicht erwehren. Bufalo schickte die Schwester Scrocchiazeppis zu ihr, Dandi schickte ihr mit Ricottas Vermittlung Donatella.
– Ich weiß von nichts, antwortete sie beinhart, tut mir leid.
Trentadenari hingegen ging persönlich hin, nachdem er einen langen Umweg auf sich genommen hatte, um die Bullen, die ihn nicht aus den Augen ließen, abzuhängen. Seit Freddo frei war, lebte er in beständiger Angst. Der Besuch des Polizisten hatte seine Angst sogar ins Unermessliche gesteigert. In letzter Zeit hatte er die Gemeinschaftskasse geplündert. Mit Fierolocchio hatte es keine Probleme gegeben. Er hatte eine schöne Summe kassiert und war abgehauen. Jetzt war er im Ausland, an der Côte d’Azur. Sobald das Geld zu Ende ging, würde er wieder auftauchen. Aber mit Freddo war das ganz anders. Freddo war nicht der Typ, der ihm seine Lügengeschichten abkaufte. Trentadenari überlegte allen Ernstes abzuhauen. Sein Cousin Baffo di Ghisa hatte ihm von einer Fazenda in Brasilien erzählt. Sonne, Bananen, Koks und tropische Strände. Mit dem, was er auf der Kante hatte, würde er lange auskommen. Sofern er lebend das Flugzeug erreichte. Sofern Freddo nicht die Absicht hatte, ihn umzulegen. Aber vielleicht konnten sie noch immer ein Abkommen treffen. Roberta ließ ihn reden, sagte zu ihm aber, anders als zu den anderen, weder ja noch nein. Trentadenari war mit einem Köfferchen voll Geld gekommen. Das konnte nützlich sein. Freddo hatte ihr präzise Anweisungen gegeben. Sie nahm das Köfferchen und versprach, sich zu melden, sobald sie etwas von Freddo erfuhr.
Freddo erholte sich mittlerweile in Trastevere in einer Mansardenwohnung, die Cerino gehörte. Cerino war ein alter Freund Neros. Einer, der über jeden Verdacht erhaben war. Cerino war wirklich ein Freund. Wie er Bekanntschaft mit Nero geschlossen hatte, war allerdings ein Geheimnis. Cerino hatte eine regelmäßige Arbeit, hatte sich jedoch beurlauben lassen. Cerino wusste, wer Freddo war, stellte aber keine einzige Frage. Cerino war deprimiert: Seine Frau hatte ihn verlassen. Er schlug die Zeit mit Fernsehen tot und legte Patiencen. Freddo wartete darauf, dass sich die Wogen glätteten. Er hatte Pässe und etwas Kleingeld. Nero hatte Reiseschecks besorgt. Cerino traf Roberta zufällig auf langen U-Bahn-Fahrten, oder er fand mit zerstreuter Miene einen
Messaggero
, der auf einer Park-bank in der Villa Pamphili liegen geblieben war, las Robertas Kassiber, zerriss ihn, richtete aus, was in ihm stand. Als das Urteil verkündet wurde, sah Freddo gerade fern. Wie Nero vorausgesehen hatte, war Dandis Gruppe so gut wie möglich ausgestiegen. Bufalo war wieder für unzurechnungsfähig erklärt worden. Ansonsten ein Massaker. Ricotta hatte dreißig Jahre bekommen. Scrocchiazeppi sechsundzwanzig. Die Pferde und Ameisen zwischen fünf und acht. Er und Fierolocchio, die offiziell untergetaucht waren, hatten jeweils achtzehn Jahre bekommen. Puma fünfzehn, wie auch Carlo Buffoni. Und dabei hatten sie noch Glück gehabt. Die meisten Morde waren aus Mangel an Beweisen gar nicht verhandelt worden. Offensichtlich hatten sich die Richter an der kriminellen Vereinigung und am Drogenhandel schadlos gehalten. Einziger Trost: Sorcio, der Verräter, hatte ebenfalls sein Fett abbekommen. Freddo hegte keinen Groll mehr gegen ihn. Wenn Sorcio im richtigen Augenblick mehr Glück gehabt hätte, hätte er niemanden in die Scheiße geritten und auch sein eigenes Leben wäre anders verlaufen. Aber wäre das ein Vorteil gewesen? Mitten im Sommer tauchte Nero bei Cerino auf.
– Sie haben die Beschattungen eingestellt. Morgen geht’s los.
– Wir werden uns nicht wiedersehen ...
– Das hoffe ich für dich!
Um neun setzte ihn Roberta in einen gemieteten BMW. Cerino hatte für seine Dienste keine Lira verlangt. Er war bloß traurig, wieder allein zu sein. Über die Schweizer Grenze fuhren sie nach Frankfurt. Freddo hatte sich die Haare blond gefärbt. Der Zollbeamte hatte sich auf den mageren blonden Südamerikaner konzentriert. Señor Neto-Alves stand im Pass. Irgendetwas an den
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