Romanzo criminale
Anklage, da es keine Möglichkeit gibt, wirklich nachzuweisen, ob die betreffenden Personen auch tatsächlich die vom Ankläger behauptete Rolle spielen
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(...) Es reicht nicht zu sagen, dass dieser oder jener ein bestimmtes Auto besaß, welches tatsächlich bei der Ermordung einer dritten Person gesehen wurde, um daraus mit Sicherheit zu schließen, dass dieser oder jener mit Sicherheit an der Ermordung besagter Person beteiligt war
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(...) Schließlich muss noch darauf hingewiesen werden, dass Übereinstimmungen von Ort, Art und Zeitpunkt der Durchführung von Straftaten und von Begegnungen und Kontakten verschiedener Personen sogar zu irreführenden Schlussfolgerungen führen können, da die Ermittlung auf diese Weise um das wahre Objekt kreist, ohne jemals zu ihm vorzudringen, und sich nur an die Wahrscheinlichkeit hält und darüber die Wahrheit aus den Augen verliert. (...)
Aus diesen Gründen widerruft das Gericht die vom Staatsanwalt für (...) ausgegebenen Haftbefehle
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Trentadenari war nicht glaubwürdig, weil er ein Krimineller war und kein Gewissen besaß. Trentadenari war nicht glaubwürdig und damit basta. Man sollte sich also fragen, worin seine psychischen Beweggründe bestanden! Genau: als ob ein Kronzeuge eine Mimose wäre. Und was zum Teufel sollte er erzählen, wenn er wirklich eine Mimose wäre? Einen Schmarrn! Er war nur deshalb von Nutzen, weil er durch und durch verrottet, korrupt und verdorben war. Je mehr er sich die Hände schmutzig gemacht hatte, desto skrupelloser war er. Warum funktionierte diese Logik bloß bei den Terroristen, während sich angesichts des organisierten Verbrechens alle in die Hosen schissen? Borgia sah ein, dass er einen entscheidenden Fehler begangen hatte. Als sie den Neapolitaner fassten, war er Feuer und Flamme gewesen. Er hatte daran geglaubt. Er hatte wieder an die Justiz und letztendlich auch wieder an sich selbst geglaubt. Er hatte nächtelang gearbeitet, er hatte mit seiner Frau eine äußerst gefährliche Gratwanderung unternommen: ein Schritt zur Seite, und sie hätte ihn verlassen. Er hatte eine Möglichkeit des Ablasses vor sich gesehen und vielleicht auch die Chance, die Spur wieder aufzunehmen, die er angesichts der bequemen Wahrheiten, die ihm Vecchio aufgetischt hatte, verloren hatte ... Ein tragischer, nicht wiedergutzumachender Irrtum. Vier Ermittlungsmonate wurden von einem zerknitterten Stück Papier zunichtegemacht. Und wieder einmal waren alle in Freiheit. Mit Ausnahme der Verurteilten. Aber die würden vielleicht vom Berufungsgericht freigesprochen werden. Und im schlimmsten Fall vom Kassationsgericht. Er hatte erfahren, dass Zio Carlo keine Folge von
Allein gegen die Mafia
versäumte. Angeblich hatte er gesagt, Kommissarin Silvia Conti sei eine Frau mit Eigenschaften. In einem Augenblick des Unbehagens, als er zum fünften oder sechsten Mal zu lebenslänglich verurteilt wurde, hatte er geflüstert, dass er im nächsten Leben als Staatsanwalt wiedergeboren werden wollte. Aber eigentlich gehörte der Spieß umgedreht. Er, Borgia, hatte den falschen Beruf gewählt. Er hätte Mafioso werden sollen. Schöne Frauen, Reichtum, Villen, Jachten. Und vor allem gesellschaftliche Anerkennung. Stilvolle Abendessen mit Personen, die über jeden Zweifel erhaben waren. Vielleicht sogar in dem berühmten Restaurant, wo Vecchio angeblich eine raffinierte Anlage hatte installieren lassen, um wichtige Gäste abzuhören. Und das höchste Vergnügen: den Anwälten auf den Kopf scheißen, die Würmer zermalmen.
Scialoja, der seine Wutanfälle schon ziemlich satthatte, gab ihm den Rat, Urlaub zu nehmen.
– Urlaub? Morgen trete ich zurück. Aber zuerst gehe ich zu diesen feinsinnigen Exegeten des Rechts und nagle sie an die Wand.
– Reden Sie keinen Blödsinn. Ich möchte nicht der sein, der Sie festnimmt.
– Sie oder ein anderer ... wenn ich schuldig bin, komme ich ohnehin davon. Beziehungsweise nur wenn ich schuldig bin, komme ich davon. Kennen Sie die Geschichte von Pinocchio und dem Richter?
– Nehmen Sie eine Woche Urlaub. Fahren Sie mit ihrer Frau nach Punta Rossa ...
– Eine gute Idee. Zuerst muss ich jedoch den Wettbewerb gewinnen ...
– Welchen Wettbewerb?
– Den Notariatswettbewerb. Morgen fange ich an.
Scialoja lächelte vage.
– Sie wollen Notar werden? Sie?
– Warum nicht, was ist daran so merkwürdig? Notare verdienen gut und haben für gewöhnlich ein langes Leben. Niemand kommt auf die Idee, eine Abstimmung zu organisieren, um
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