Romanzo criminale
sie abzuschaffen. Niemand wartet vor dem Haus auf sie, um sie abzuknallen. Ich bin in einem Alter, in dem man an die Familie denkt. Und was mich anbelangt, ist die Untersuchung gestorben!
II.
Die Untersuchung war zwar gestorben, aber der Verräter erfreute sich bester Gesundheit. Jeder Tag, an dem er noch am Leben war, war eine Beleidigung für sie alle. Alle, ausnahmslos alle. Sie waren sich einig, was das Arschloch betraf. Fierolocchio war gerade von der Côte d’Azur zurückgekehrt. Er und Nercio beschatteten die bunkerartige Villa am Rande von Morlupo, wo Trentadenari den Hausarrest genoss. Sie waren bis an die Zähne bewaffnet. Fierolocchio erregte die Aussicht auf Kampf. Nercio, der eben erst entlassen worden war, war stinksauer. Aber das Unterfangen ließ sich nicht gut an. Borgia hatte vier Autos voller Bullen aufstellen lassen, die sich alle sechs Stunden abwechselten. Bei Trentadenari im Haus waren abwechselnd zwei Polizisten. Sie kauften für ihn ein, kontrollierten jeden, der sich der Villa weniger als hundert Meter näherte. Eine echte Festung. Nercio zündete sich einen Joint an.
– Wir sollten es wie Cutolo machen. Der hat eine Bombe auf den Verräter geworfen, der ihm das Grab schaufeln wollte.
– Warst du dabei?
– Das war meine Zone, vergiss das nicht.
– Aber damals hast du noch in die Windeln geschissen.
– Ich hab halt früh angefangen.
Sie legten sich wieder auf die Lauer. Wenn sie nur eine Bresche in das Sicherheitssystem hätten schlagen können ... es reichte eine kleine Unaufmerksamkeit ... sie brauchten nicht lange ... bloß ein paar Minuten ... auch wenn sie liebend gern mehr Zeit gehabt hätten ...
– Wenn meine Freunde in Mailand einen Verräter schnappen, schneiden sie ihm zuerst die eine und dann die andere Hand ab. Dann schneiden sie ihm den Schwanz ab und stopfen ihm diesen ins Maul. Wenn sie guter Laune sind, geben sie ihm den Gnadenschuss ...
– Und wenn nicht?
– Wenn nicht, pissen sie auf ihn drauf und werfen die Leiche in Salzsäure.
– Genau. So gehört es sich, sagte Fierolocchio.
– Hin und wieder stellt sich jedoch heraus, dass der Trottel sauber war.
– Was dann?
– Nichts. Immerhin hat es einen Verdacht gegeben. Der Verdacht ist mehr als ausreichend, meinst du nicht?
– Aber in Trentadenaris Fall gibt es keine Zweifel.
– Nein, die gibt es nicht ... Schau, wer da kommt!
Es war Vanessa. Trentadenari hatte sie geschont wie ein Kind. Kein Wort über sie in den Polizeiberichten, obwohl es genug zu erzählen gegeben hätte! Borgia, der nicht nur ein Richter, sondern ein Mann mit Mumm in den Knochen war, hatte sie trotzdem aufs Korn genommen wie alle anderen auch. Und so hatte die Krankenschwester wie alle anderen auch von der Milde des Haftprüfungsgerichts profitiert. Jetzt hatten sie sie im Visier. Nercio entsicherte seine Knarre.
– Bleib ruhig. Aus dieser Entfernung ist das Risiko hoch, nicht zu treffen.
– Ich hab noch nie in meinem Leben danebengeschossen.
– Aber wissen wir denn, ob sie was damit zu tun hat?
– Und wen kümmert’s? Er fickt sie, oder? Was willst du mehr?
Nercio zielte. Ein Polizist stellte sich vor die Zielperson. Das Tor der Villa öffnete sich einen Spaltbreit. Ein anderer Polizist tauchte auf, packte die Frau und zog sie hinein. Nercio ließ die Waffe sinken.
– Jetzt müssen wir warten, bis sie wieder rauskommt.
Aber Fierolocchio war nicht überzeugt. Nercio sah ihn mitleidig an.
– Hab verstanden. Du willst nicht auf eine Frau schießen.
– Was redest du? Ich ... nun, ich hab es noch nie gemacht ...
– Ich übrigens auch nicht. Aber was hat das zu bedeuten? Sie ist nicht irgendeine. Sie ist die Frau eines Verräters!
– Vielleicht sollten wir lieber mit Dandi darüber sprechen ...
– Geh schlafen, wenn dir nicht danach ist. Ich erledige es.
– Glaubst du, mir fehlt der Mumm?
Nach zwei Stunden ging die Tür wieder auf. Die Polizisten wiederholten die Pantomime. Vanessa ging über den gewundenen Gartenweg. Nercio und Fierolocchio hatten ihre Alfetta ausfindig gemacht und warteten im Range Rover auf sie. Vanessa legte den Rückwärtsgang ein und fuhr Richtung Rom. Sie folgten ihr mit ausgemachten Scheinwerfern.
– Vielleicht hat auch sie eine Leibwache!
– Das gefiele dir, was, Fierolo’?
Vanessa führte sie zur alten Wohnung Trentadenaris.
– So was Verrücktes. Entweder fühlt sie sich sicher oder sie ist ahnungslos!
– Das gefällt mir nicht. Ich gehe. Du deckst mich. Hau ab, wenn
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