Romanzo criminale
Vorladung gekommen. Ein hässlicher Gedanke machte sich im Kopf Freddos breit.
Die Pflichtanwälte von Regina Coeli waren immer dieselben: Terenzi, Piancatelli, Biancolillo, Domineddo und ihre diversen Kofferträger und Praktikanten. Frontsoldaten, brave Handwerker, denen man immer nur Fälle von Wucherei und Erpressung anvertraut hatte, kleine Raubtiere am Rand des großen Dschungels. Gerade als sich Libanese zu Recht fragte, ob es nicht an der Zeit wäre, sich einen renommierten Anwalt zu leisten, stellte sich Anwalt Vasta vor, eskortiert von einem Polizeimaresciallo mit drei Sternen. Mit ihm kam eine junge Frau mit Lockenkopf und im Kostüm. Dandi erkannte sie und zwinkerte ihr komplizenhaft zu. Es war die Mariano, die Gespielin von Trentadenari. Sie wurde rot und in ihren blauen Augen flackerte Panik auf. Dandi munterte sie mit einem kaum merklichen Kopfnicken auf und machte zu Libanese hin das Siegeszeichen.
Indessen scharten sich die weniger renommierten Kollegen um Vasta. Man beschloss, dass jeder von ihnen von zwei Anwälten vertreten werden sollte. Von einem der Pflichtanwälte und von Vasta, der auf diese Weise alle Fälle überwachen würde. Der stellvertretende Staatsanwalt Borgia kam herein und teilte den Verteidigern mit, sie hätten das Recht, sich vor dem Verhör mit ihren Mandanten zu unterhalten. Ein Neuer war auch dabei. Ein junger Polizist, ein Milchgesicht. Libanese musste lachen. Und mit diesen Buben, die frisch von der Universität kamen, wollten sie Recht und Ordnung durchsetzen? So ein Sparverein!
– Wir können weitermachen, Doktor Borgia. Meine Mandanten möchten von ihrem Recht Gebrauch machen, nicht zu antworten.
Vasta hatte für alle gesprochen. Die restlichen Anwälte nickten. Borgia feixte. Aber es war nichts zu machen. Das Verhör war nur eine reine Formsache. Der Reihe nach wurden sie über den Inhalt der Anklage informiert, sie gaben an, die Aussage verweigern zu wollen, und wurden in ihre Einzelzelle zurückgeführt. Daraufhin wurden sie der Reihe nach ins Gesprächszimmer gebracht, wo Vasta und die Mariano auf sie warteten.
Am frühen Nachmittag wussten bereits alle, wie es mit Bufalo gelaufen war: Er war im Club unten im Haus und spielte Zecchinetta, als zwei Streifenwagen mit Blaulicht aufgetaucht waren. Wenn es ihnen nicht so viel Spaß gemacht hätte, Räuber und Gendarm zu spielen, hätten sie ihn bestimmt gefasst. Aber Bufalo war in aller Ruhe abgehauen. Er war in die Wohnung Trentadenaris gegangen, und der hatte die Mariano angerufen, und die wiederum Vasta. Jetzt war Bufalo in Sicherheit und auch hinsichtlich des Geldes brauchte er sich keine Sorgen zu machen: Trentadenari hatte ihm einen fetten Vorschuss gegeben. Das System von Libanese begann zu funktionieren. Vasta sprach ihnen Mut zu:
– Die Hausdurchsuchungen sind alle ergebnislos verlaufen. Es scheint ein Indizienprozess zu werden. Ich glaube nicht, dass der Staatsanwalt ernstzunehmende Zeugen hat. Höchstens ein paar vertrauliche Quellen. Aber die kann man bei der Verhandlung nicht brauchen. Sie werden euch zu Gegenüberstellungen zwingen, zu Identifizierungen, zu Fingerabdrücken. Sie werden jeden von euch auffordern, einen Satz ins Aufnahmegerät zu sprechen. Um den Anrufer zu identifizieren. Wenn also jemand was zu befürchten hätte, sollte er sich lieber einen starken Schnupfen oder etwas Ähnliches einfallen lassen. Ansonsten verlassen wir uns auf den Untersuchungsrichter, und wenn das nicht funktioniert, auf das Berufungsgericht. Sofern nichts dazwischen kommt, seid ihr in spätestens zwei, drei Monaten wieder draußen, und sie werden sich auch noch bei euch entschuldigen.
II.
Nach einer Woche wurde die Einzelhaft aufgehoben. Im Hof schien die Sonne, eine Wohltat für Knochen und Seele nach den Tagen in der feuchten Zelle. Libanese und Freddo gingen den Mithäftlingen, die wie immer Fußball spielten, aus dem Weg; sie lasen, an die Mauer unter dem Wachturm gelehnt, den Haftbefehl.
– Sie haben nichts in der Hand, sagte Libanese.
– Sie wissen was, haben aber keine Beweise, bestätigte Freddo.
– Sie haben keine Ahnung von Feccia und den anderen aus Casal del Marmo.
– Deshalb hängen sie uns nur Entführung an und nicht Mord. Sie glauben, der Baron lebt noch …
– Nein, sogar sie wissen, dass er tot und begraben ist. Sie haben nur keine Beweise.
– Sie haben nichts.
– Gar nichts. Kein Wort über den Stoff …
– Nichts haben sie.
– Keine Zeile über Sardo und Trentadenari
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