Romanzo criminale
auszuwischen.
Eines Vormittags im April sagte Libanese schließlich zu Freddo, dass sie in die Maremma fahren müssten.
– Sardo hat Moro gefunden.
– In der Toskana?
– Nein, dort ist Cutolo. Wir sprechen mit ihm.
Freddo sagte, sie würden nirgendwohin fahren. Sie kannten ja seine Meinung, und er wollte nicht mit hineingezogen werden. Libanese bat ihn, ihn zu begleiten: ein Freundschaftsdienst. So was konnte man nicht ablehnen. Freddo bestrafte ihn während der ganzen Fahrt mit eisigem Schweigen.
Der Treffpunkt war ein Bauernhaus mitten auf dem Land, wo gerade der Frühling erwachte. Ein paar entschlossen dreinblickende Jungs mit tschechoslowakischen Maschinengewehren bewachten die Zufahrt. Libanese stellte sich vor. Per Walkie-Talkie erbaten sie Anordnungen, dann ließen sie sie durch.
Fliegen, Mücken und eine kleine Herde fetter Schafe, inmitten einer Schar Lämmchen. Auf dem Vorplatz standen fünf oder sechs Autos. Aus einem gepanzerten BMW mit getönten Scheiben und Probekennzeichen stiegen zwei Männer aus, die nach Staat rochen. Sardo stand auf der Schwelle und machte ihnen ein Zeichen, sich zu beeilen.
– Ich gehe nicht hinein, sagte Freddo entschieden.
Genervt machte sich Libanese auf den Weg, wortlos.
Freddo zündete sich eine Zigarette an und betrachtete die Lämmchen. Plötzlich und ohne Grund begannen sie davonzulaufen. Genauso plötzlich blieben sie wieder stehen und flüchteten sich an die Zitzen des Mutterschafs. Als er Schritte hörte, drehte er sich um. Die beiden Wachen betrachteten ihn eindringlich. Der Gestank nach Staat wurde unerträglich. Sie baten ihn um eine Zigarette. Er gab ihnen das Päckchen. Sie dankten mit einem Kopfnicken, dann sprang der größere der beiden über den Zaun in das Gehege. Die Lämmchen liefen wieder wie wild davon. Eines der Tiere, das etwas langsamer war, klatschte gegen die Beine des Mannes. Der hielt es mit einer raschen Bewegung fest, brach ihm scheinbar mühelos das Genick und legte es sich über die Schulter. Als er an ihm vorbeiging, winkte er ihm zu.
Freddo lief ein Schauer über den Rücken. Einen Augenblick lang hatte er in dem Lämmchen das Antlitz Gigios erblickt. Dann kamen Libanese und Sardo mit finsterem Gesicht zurück und ließen sich ins Auto fallen.
Auf der Rückfahrt erzählten sie Freddo, wie die Sache gelaufen war. Cutolo hatte ihnen seinen Mitarbeiter vorgestellt, Pino il Bello, einen Schnösel, bei dessen Anblick Dandi vor Neid erblasst wäre, und noch zwei andere mit Sakko und Krawatte, von denen man besser nicht wusste, wer sie waren: Zeta und Pigreco, das musste reichen. Alle behandelten sich gegenseitig mit großem Respekt. Sardo hätte ihnen am liebsten gleich erzählt, was er wusste: Er hatte einen Tipp bezüglich Moros Aufenthaltsort bekommen. Die Quelle: ein Ex-Autonomer, der zu den Rechten übergelaufen war. Ein Hitzkopf, aber glaubwürdig. Seiner Meinung nach wurde Moro in einer Wohnung in der Nähe des Krankenhauses San Camillo festgehalten. Genauere Details gab es allerdings nur gegen Bezahlung. Sie hatten über alles Mögliche gesprochen, nur nicht über Moro. Über Don Rafaeles Flucht aus dem Irrenhaus, die er als „meinen lautstarken Abschied“ bezeichnete (die Tür war mit drei Kilo Tritol gesprengt worden), über die Geschäfte der Organisation in Neapel, über die Entführung des Sohnes von De Martino (
’na cosa ’e mariuole
, wie der Professor sagte), über eine bevorstehende Reise nach Amerika, sogar über das Lamm in Kräutersauce, das man anlässlich des bevorstehenden Osterfestes verzehren würde. Kaum hatte Sardo den Mund aufgemacht, hatte man das Thema gewechselt. Bis sich Libanese schließlich eine bissige Bemerkung erlaubte.
– Don Rafè, ihr habt gerufen und wir sind gekommen. Dürfen wir erfahren, wozu?
Und Don Rafaele hatte ihn hinter der Brille angeblickt, mit seinem schiefen Lächeln, das alles und nichts bedeutete. Schließlich hatte er gesagt:
– Kapierst du denn nicht, dass sie den armen Teufel tot haben wollen?
So war es gelaufen. Aber Libanese wollte nicht klein beigeben. Jetzt hatte er die Information, jetzt wollte er sie verkaufen. Vielleicht den Christdemokraten: Irgendwo musste doch einer sein, der Moro die Haut retten wollte. Man brauchte ihn nur zu finden, es war noch möglich.
– Kapier doch endlich, sagte Sardo, Cutolos Befehle diskutiert man nicht.
– Ich lass mir von niemandem Befehle erteilen, antwortete Libanese aufmüpfig.
Sardo sah darüber hinweg und fügte
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