Romanzo criminale
der
Officina
, des linken Filmklubs um die Ecke, den sie bereits zweimal abgefackelt hatten. Der Regen wurde immer heftiger und die Straße war menschenleer. Nero stellte den Kragen seiner Jacke auf, entsicherte die Pistole und montierte den selbstgebauten Schalldämpfer, ein Metallrohr mit einem Holzring und etwas Werg. Die Waffe war eine Tanfolio: nicht mehr ganz neu, aber äußerst präzise. Im Magazin befanden sich fünf Fiocchi-Patronen und vier manipulierte Winchester. Die Ballistiker würden sich die Haare raufen. Um Punkt zehn Uhr ging das Haustor auf. Im schwachen Licht der hohen Straßenlaterne sah die Zielperson aus wie ein armer Teufel, der unter der Last seines elenden Daseins stöhnt. Er blickte sich um, warf mit einer angewiderten Geste die Zigarette weg, die er in der Hand hielt, und trat auf die Straße hinaus. Nero trat aus dem Schatten und war mit ein paar Schritten hinter ihm. Die Zielperson hatte nichts bemerkt. Die Straße war menschenleer. Nero zog die Pistole und gab rasch hintereinander drei Schüsse ab. Ein Geräusch wie von einer zerquetschten Dose. Die Zielperson drehte sich um die eigene Achse, rang nach Luft, ging lautlos zu Boden. Nero beugte sich über ihn. Offenbar war er erledigt, aber er musste sichergehen. Er legte den Schalldämpfer an seine Stirn und schoss ein letztes Mal. Der Schädel platzte, Blut, Knochensplitter und Gehirnmasse spritzten durch die Luft. Um nichts davon abzubekommen, war Nero zur Seite getreten. Erledigt, teilte er seinem Kumpel mit und schwenkte die Tanfolio. Der Sizilianer hob grüßend den Arm und lief in Richtung Piazza Verbano. Nero ging ohne Eile zum Filmklub. Die Idee, eine Stunde im Treffpunkt der Roten zu verbringen, schien ihm der Gipfel an Raffinesse zu sein. Das grundlegende Problem der Roten war, dass sie sich zur „Masse“ zählten. Und dass sie an den Menschen glaubten. Masse schon, aber eine Masse von Idioten. An der Kasse saß eine Durchgeknallte mit krausem Haar und zwei geilen Titten. Sie sah ihn scheel an. Er setzte einen falschen Namen in den Mitgliedsausweis ein, zahlte, sie riss die Eintrittskarte ab und reichte sie ihm unfreundlich. Als er den Kinosaal betrat, hörte er bereits die ersten Sirenen. Es lief ein Film der Marx Brothers. Die waren zwar Juden, aber lustig. Nero musste sich entspannen. Nach der Tat fühlte er sich leer. Die Energie, die er mithilfe der beiden Huren aufgebaut hatte, die Energie, die er bei sich behalten hatte, war im Kugelhagel entwichen. Morgen war ein wichtiger Tag. Er musste den Rest des Honorars kassieren. Er musste die Angelegenheit mit Sellerone bereinigen.
Pigreco überreichte ihm das Köfferchen mit dem Bargeld in der Eingangshalle der Biblioteca Nazionale und gratulierte ihm zu der sauberen Arbeit. Nero nahm das Geld mit verächtlichem Grinsen entgegen. Jede Zeitung berichtete auf dem Cover von der Sache mit Pidocchio. Es wurden Vermutungen angestellt, wer der Auftraggeber war. Der Ärmste war tot wohl gefährlicher als lebendig. Zeta, Pigreco und ihr Auftraggeber hatten vielleicht den Staat in der Hand, aber sie agierten wie Anfänger.
Bei Sonnenuntergang traf er sich mit Freddo vor dem Bahnhof Trastevere, wo sie sich Sellerone gegriffen hatten, und er überreichte ihm den Sack mit den beiden Pistolen und einer Heeresmaschinenpistole.
– Es sind nicht genau dieselben, die du mir gegeben hast, aber sie sind in Ordnung.
– Gut. Ich gehe hinauf und schicke dir Sellerone.
– Ich bin froh, dass die Sache erledigt ist.
– Ich auch. Sellerone redet zu viel, aber im Grunde hattest du Recht, er ist ein armer Teufel.
Sie verabschiedeten sich mit einem Händedruck. Freddo saß bereits in seinem Golf, als ihn Nero noch einmal zurückrief.
– Die Tanfolio ist heiß.
Freddo sah ihn an. Ein verwunderter Blick, ein knapper Satz.
– Pidocchio.
– Ja.
– Nimm dich vor den Politikern in Acht, warnte ihn Freddo und ließ den Motor an.
VI.
Varighina machte einen Rückzieher, trotzdem blieb Bufalo im Regina Coeli, und er selbst hatte eine Anklage wegen Begünstigung am Hals. Seitdem Borgia der getreue Scialoja abhandengekommen war, hatte er die Gangart verschärft. Immerhin schien man ihm langsam Glauben zu schenken, denn in der Verfügung, mit der der Untersuchungsrichter den Entlassungsantrag zurückwies, stand, Bufalo sei „ein gefährlicher Exponent einer neuen Art von Kriminalität, die sich durch die Wahl drastischer Mittel und absoluter Missachtung des menschlichen Lebens auszeichne“.
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