Romanzo criminale
versprach, dass er sofort nach seiner Entlassung zum Richter gehen würde, um zu widerrufen.
Nero war verschwunden und die Waffen waren nicht wieder aufgetaucht. Anfang September lauerten Freddo, Fierolocchio und zwei ehrgeizige Pferde Sellerone vor dem Bahnhof Trastevere auf und brachten ihn in eine sichere Wohnung in der Nähe der Via dell’Imbrecciata, die Ziccone zur Verfügung gestellt hatte.
– Du hast eine Woche Zeit, erklärte Freddo, entweder gibst du uns die Waffen zurück oder wir werfen dich den Schweinen zum Fraß vor.
IV.
Auf der Piazza dei Mercanti gibt es kein Bordell und es hat auch nie eines gegeben. Die mehrfachen Kontrollen, die Lokalaugenscheine, die Razzien und die Beschattungen hatten keinen strafrechtlich relevanten Tatbestand ans Tageslicht gebracht. Es handelte sich nur um das Hirngespinst eines genauso ehrgeizigen wie inkompetenten Polizisten. Kommissar Scialoja hatte einen kolossalen Bock geschossen.
– So eine Schande. Sie hatten Recht! Ich hätte mich nicht auf die von der Sitte verlassen dürfen ... es war ein Fehler, Ihren Rat nicht zu befolgen.
Borgia schwenkte wütend das Protokoll, mit dem die Sitte die Ermittlung ein für alle Mal für beendet erklärte. Scialoja hatte ihn noch nie so wütend erlebt. Borgia wollte aufmunternde Worte von ihm hören. Scialoja mied den klaren und verärgerten Blick des stellvertretenden Staatsanwaltes und versteckte sich hinter dem Rauch der x-ten Zigarette. Borgia machte noch immer seinem berechtigten Zorn Luft. Scialoja wusste, dass er ihn würde enttäuschen müssen, er suchte nur noch nach den richtigen Worten. Am Abend davor hatten ihn Zeta und Pigreco am Ausgang des Filmklubs gestellt, wo er sich Altmans
McCabe & Mrs. Miller
angesehen hatte. Er hatte sie gar nicht kommen sehen. Er hatte den Saal als Letzter verlassen. Der müde Filmvorführer hatte ihn zur Tür gebracht. Mit einer Kippe im Mundwinkel, während er in Gedanken noch ganz bei dem verlorenen, vom Opiumrausch vernebelten Blick Julie Christies war und die tiefe Stimme Leonard Cohens in ihm nachklang, bemerkte er einen Sekundenbruchteil zu spät, dass zwei Typen vom Stumpf einer großen Linde gesprungen waren und auf ihn zukamen. Er wollte schon seine Pistole zücken, aber die beiden waren schneller. Der kleine Stämmige hatte ihn mit einem Tritt in die Nieren zu Boden gestreckt. Die Zigarette war zwischen seinen Zähnen zerbröselt und hatte auf seinem Gaumen einen bitteren Geschmack zurückgelassen. Der andere, der groß und elegant war und einen weißen, in der sternenklaren Nacht hell leuchtenden Anzug trug, hatte ihm mit verächtlichem Blick die Beretta aus dem Halfter gezogen. Dann stützten sie ihn, als wäre er ein Kumpel, der einen über den Durst getrunken hatte, und schleiften ihn in den nahen Park auf der Piazzetta dei Quiriti. Der Brunnen plätscherte und die Luft roch nach Jasmin und Einsamkeit. Der Elegante bot ihm eine Zigarette an. Scialoja, noch betäubt von dem Schlag, nahm sie mit einer müden Geste an. Zeta und Pigreco hatten sich ausgewiesen und ihre Ausweise blitzen lassen.
– Wer sagt mir, dass sie echt sind?
– Sie sind echt, sie sind echt, sagte Zeta weise.
– Sie sind echt und du sitzt in der Patsche, hatte der andere bestätigt.
Sie setzten sich an den Rand des Springbrunnens. Die verliebten Pärchen hatten die Bänke bereits verlassen. Ein Nachtvogel stieß einen schrillen Schrei aus. Zeta feilte sich die Nägel. Scialoja hatte die beiden bereits irgendwo gesehen. Aber er erinnerte sich weder wo noch wann.
– Komplizenschaft mit Terroristen.
– Begünstigung.
– Subversive Umtriebe.
– Guerilla.
Scialoja spürte einen stechenden Schmerz im Magen.
– Keine Ahnung, wovon ihr sprecht.
– Sandra Belli. In Frankreich untergetaucht. Du hast ihr bei der Flucht geholfen.
– Du hast sie vor der Blitzaktion gewarnt.
– Du hast eine von den Roten Brigaden beschützt.
– Du sitzt in der Scheiße.
– Die Scheiße steht dir bis zum Hals.
– Terrorismus ist was Ernstes.
– Du bist auf die andere Seite der Barrikade gewechselt.
– Du hast dich verkauft.
– Du sitzt in der Scheiße.
Sie schwiegen. Starrten ihn an. Sarkastisch, höhnisch.
– Sandra ist keine Terroristin.
Zeta lachte. Pigreco lachte.
– Genau. Sandra ist keine Terroristin. Und Patrizia ist keine Hure!
Jetzt erinnerte sich Scialoja. Er hatte sie gesehen, als er die Piazza dei Mercanti beschattet hatte. Sie waren regelmäßige Besucher des Bordells. Sie
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