Romanzo criminale
Klo entfernt. In der Zelle stank es nach schmutziger Unterwäsche, Kaffeesatz, übergelaufener Milch. Die Drogenabhängigen jammerten leise. Patrizia streckte sich auf der Pritsche aus, drehte den Kopf zur Wand und schlief ein. Als sich eine Hand rüde zwischen ihre Schenkel schob, wachte sie auf. Patrizia stieß die Hand weg und richtete sich auf. Die Blondine lächelte. Ihr Mund war voller fauler Zähne und ihr Atem stank nach Knoblauch.
– Mach das noch einmal und ich steche dir die Augen aus.
Die andere lachte. In der Hand hielt sie plötzlich eine kleine, spitze Glasscherbe. Patrizia gab ihr einen Tritt. Die Blondine verlor das Gleichgewicht und ließ die Scherbe fallen. Patrizia stürzte sich auf den Boden, um sie aufzuheben. Die Blondine stand nur mühsam wieder auf. Patrizia dachte, es wäre ein Leichtes, sie von hinten anzugreifen. Ihr den Kopf hochzuziehen. Ihr die Kehle zu durchschneiden. Sie hatte große Lust, es zu tun. Die beiden Drogenabhängigen drückten sich aneinander, bibbernd vor Angst. Die Blondine spuckte auf den Boden.
– Du bist tot. Sag mir, wie du heißt, denn bevor ich dich umbringe, möchte ich deinen Namen wissen.
Patrizia nannte ihn. Die Blondine wurde bleich. Sie spuckte auf den Boden. Sie nahm ihren Kopf zwischen die Hände.
– Scheiße! Dandis Freundin!
– Macht das einen Unterschied?, fragte sie und schwenkte die Glasscherbe.
Die Blondine bat sie um Entschuldigung.
– Das wusste ich nicht! Um Himmels willen! Hier drinnen erlebt man böse Überraschungen, Patrizia ... ich darf dich doch Patrizia nennen, oder? Verzeih mir, verzeih mir! Auf die beiden musst du aufpassen ... sie sind Spitzel des Direktors ... du bist neu, nicht wahr? Tja, du solltest dir eine Einzelzelle geben lassen. Eigentlich dürftest du gar nicht hier sein. Du musst in eine Einzelzelle! Sie haben dich hier hereingesteckt, weil sie hoffen ...
– Halt den Mund, ich möchte schlafen.
Sie ging zu ihrer Pritsche zurück und drehte sich wieder zur Wand. Aber keine Spur von Schlaf. Patrizia drückte die Glasscherbe an sich wie eines ihrer Plüschtiere. Ohne sie konnte sie nicht einschlafen. Auch wenn ein Mann neben ihr lag ... und sei es nur Dandi ... musste sie sich auf die andere Seite drehen und durfte nicht nachdenken. Sie musste ihr Plüschtier an sich drücken und durfte nicht denken. Die Junkies hinter ihr flüsterten. Die Blondine schnarchte. Auf dem Korridor gingen die Aufseherinnen auf und ab. Hin und wieder lugte jemand durch den Spion. Die Sadistinnen schlugen gegen die Stäbe, nur um die schlafenden Häftlinge aufzuwecken. Kurz vor Morgengrauen brachten sie eine Neue. Wieder eine Süchtige. Völlig fertig. Fast noch ein kleines Mädchen, mit rundem, süßem Gesicht und einem irren Blick. Unverständlicherweise hatte sie ihren Schmuck behalten dürfen. Die Neue weinte und krümmte sich. Sie klammerte sich an eine Aufseherin, wollte sie nicht gehen lassen, flehte, man möge ihren Vater anrufen. Die Aufseherin schob sie brutal weg und schloss die Tür. Die Süchtige hörte nicht auf zu schreien. Die Blondine setzte sich in Bewegung. Patrizia gebot ihr mit einem entschiedenen Blick Einhalt. Dann ging sie zu der Neuen hin und streichelte ihre Haare. Sie hörte auf zu weinen. Aber nun zitterte sie am ganzen Leib. Sie stank nach saurem Schweiß und einem zu intensiven Parfum. Allmählich beruhigte sie sich. Patrizia führte sie zu ihrer Pritsche und wartete, bis sie eingeschlafen war. Die Blondine und die beiden anderen sahen sie ungläubig an. Patrizia bat um eine Zigarette. Die Blondine beeilte sich, ihr ein zerknülltes Päckchen Marlboro anzubieten.
– Wie heißt du?
– Ines. Rapino Ines. Aber alle nennen mich Ines del Trullo.
– Hör mir gut zu, Ines. Siehst du die Neue hier?
– Ja.
– Wenn ihr etwas passiert, schneide ich dir die Gurgel durch. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?
Am Morgen teilte ihr der Gefängnisdirektor mit, dass sie in Einzelhaft komme. Er fragte sie, ob sie von ihren Zellengenossinnen belästigt worden sei. Patrizia setzte ihr verführerischstes Lächeln auf, schlug die Beine übereinander und antwortete, dass sie sich mit ihren neuen Freundinnen hervorragend verstehe. Der Direktor entließ sie, bestürzt von ihrer Kaltschnäuzigkeit. Sie ließen sie noch ein wenig schmoren und dann, nach achtundvierzig Stunden Haft, fand sie sich mit dem Richter und Vasta im Gesprächszimmer wieder. Natürlich war auch der Polizist da. Leichenblass. Patrizia dachte, dass es
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