Romanzo criminale
amüsant wäre, zu ihm hinzugehen, im Tonfall einer großen Dame zu ihm zu sagen: „Hallo, mein Lieber, wie geht es dir? Sind die Kratzer schon verheilt, die ich dir zugefügt habe, als wir das letzte Mal gefickt haben?“ Und ihn auch noch auf den Mund zu küssen. Aber im Gesprächszimmer hing ein Spiegel. Patrizia sah die Fettflecke auf ihrer Jacke, den zerknitterten Rock, die Laufmaschen. Ihre Haare waren fettig. Sie brauchte dringend eine Dusche und eine Schicht Deodorant. Sonst sah sie aus wie eine heruntergekommene, hysterische Hure. Sie drückte Vasta die Hand und setzte sich seufzend neben den Anwalt. Sie war eindeutig erledigt. Scialoja empfand Mitleid und Reue. Er benutzte sie, um an Dandi und die anderen heranzukommen. Er hatte sie immer benutzt. Das war von Anfang an sein Plan gewesen. Aber jetzt? Borgia räusperte sich.
– Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass Sie das Recht haben, die Aussage zu verweigern.
– Ich antworte, ich antworte, sagte sie leise, noch bevor Vasta eingreifen konnte, ich habe nichts zu verbergen.
– Das werden wir ja sehen, erwiderte der Richter.
Borgia war hart, aber freundlich. Unnachgiebig, mit einem Anflug von Ironie. Er widerstand jeder Form von Verführung. Bei Patrizia, die nach ihren ersten zwei Tagen im Knast völlig fertig war, war das allerdings nicht besonders schwierig. Der Richter erkundigte sich nach dem Bordell, aber es war klar, dass es ihm nicht um Sex ging. Sie spielten ein zynisches Spiel. Und Borgia war nur der Strohmann des Polizisten, der hinter ihm stand. Und sie war da, weil sie Dandis Freundin war. Vasta legte sich quer, lenkte ab, obstruierte: Das Schicksal Patrizias war ihm genauso egal wie den anderen. Vasta vertrat Dandi. Borgia brauchte eine gute Stunde, bis er endlich die Frage stellte, die ihm am Herzen lag.
– Sie sind die Besitzerin einer Immobilie, in der gewerblicher Unzucht nachgegangen wird. Die Behörde würde gerne erfahren, wie Sie in den Besitz der Immobilie gelangt sind. Woher haben Sie das Geld? Wer hat es Ihnen gegeben?
– Ein Mädchen hat viele Ersparnisse.
– Daran zweifle ich nicht, Fräulein Vallesi. Doch selbst bei großzügiger Berechnung ... selbst bei einem Dutzend Dienstleistungen pro Tag, wie sie in derartigen Etablissements angeboten werden ...
– Sie meinen Nummern?
– Ja, Sie haben mich verstanden. Ich meine, selbst wenn Sie ... Ihr Möglichstes gegeben hätten ... würde sich eine derartige Anfangsinvestition nicht ausgehen ...
Vasta legte Einspruch ein: Die Fragen hätten nichts mit den Anschuldigungen zu tun. Er fühle sich aufs Neue verpflichtet, seiner Mandantin zu empfehlen zu schweigen. Patrizia ignorierte ihn.
– Sagen wir, ein paar Freunde haben mir geholfen.
– Welche Freunde?
– Großzügige Freunde.
– Wie Dandi? Wie Libanese? Wie Freddo? Wie Secco? Wie die Agenten des Geheimdienstes, die hin und wieder die Piazza dei Mercanti besuchen?
Vasta erhob die Stimme. Patrizia brachte ihn mit einer entschiedenen Geste zum Schweigen.
– Geheimdienstagenten? Und wenn schon? Wenn ich mit jemandem ins Bett gehe, bitte ich ihn nicht um seinen Ausweis. Aber wenn es darum geht: Bei mir waren auch schon Politiker, Journalisten, Fußballspieler, Schriftsteller ... und auch Polizisten, fügte sie mit einem höhnischen Grinsen hinzu.
Vasta nestelte an den Papieren herum, die vor ihm lagen, schlug mit der Faust auf den Tisch und war drauf und dran, eine jener Szenen zu machen, für die er im Justizpalast berühmt war. Jetzt übertrieb man aber! Man setzte sich nicht nur über die Rechte seiner Mandantin, sondern auch über die verfassungsrechtlichen Grundsätze hinweg! Er fühlte sich gezwungen, dem Ermittlungsbeamten in Erinnerung zu rufen, dass dem Merlin-Gesetz zufolge weder die Besucher von Bordellen noch die Frauen, die dem Gewerbe nachgingen, bestraft werden dürfen. Dem Gesetz nach dürfen nur die bestraft werden, die Gewinn aus der Prostitution anderer ziehen. Doch dieser Tatbestand lag hier nicht vor. Also ...
– Also machen wir einen schönen kleinen Spaziergang, damit wir uns wieder beruhigen!, stieß Borgia hervor.
Er hakte sich bei Vasta unter und zog ihn aus dem Zimmer, ohne sich um seine Proteste zu kümmern. Scialoja und Patrizia blieben allein. Sie schlug die Beine übereinander.
– Tut mir leid, flüsterte er.
– Gib mir eine Zigarette.
– Du hast Pech. Ich rauche jetzt die, antwortete er und fischte eine Schachtel Toscanelli aus der Tasche.
– Macht nichts. Gib mir
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