Romeo für immer, Band 02
vor, und meine Gedanken formen die Worte. Ich hasse Dylan Stroud. Unfassbar, dass ich ihm erlaubt habe, mich zu berühren. Ich hätte es besser wissen müssen. Manche Dinge ändern sich eben nie. Ich ändere mich nie! Ich werde immer ein Freak mit einem Narbengesicht bleiben, selbst wenn ich es irgendwann schaffen sollte, diese Stadt zu verlassen. Der heutige Abend ist der beste Beweis. Ich bin dämlich, verrückt und kaputt. Das bin ich, und das werde ich immer bleiben.
Wie lässt es sich sonst erklären, dass ich dachte, ich sei in ihn verliebt?
Ich hätte doch wissen müssen, dass für ihn alles nur ein Spiel war. Aber ich habe ihm nichts angemerkt, und deshalb wird morgen die ganze Schule wissen, dass ich beinahe mit Dylan geschlafen hätte. Vielleicht behauptet er ja sogar, dass es tatsächlich so war. Wundern würde es mich nicht. Dann hätten die anderen einen Grund mehr, auf mich herabzuschauen. Ein Mädchen, das ihre Unschuld wegen einer Wette verloren hat. Vielleicht erzählt Dylan seinen Freunden sogar, dass ich das Geld genommen habe, das er mir angeboten hat. In den Augen der anderen wäre ich dann nicht mehr nur ein kaputter Freak, sondern auch noch eine, die für Geld alles tut. Das werden sie denken. Hannah, Natalie und die anderen Mädchen, die mich immer ansehen, als wäre ich ein fleischgewordener Albtraum.
Blöde Idiotin. Kaputter Freak.
Ich wünschte, wir wären in die Schlucht gerast. Ich wünschte, wir wären beide tot. Auf meiner Zunge schmecke ich einen salzigen Geschmack. Tränen brennen in meinen Augen. Am liebsten würde ich jetzt stehen bleiben, mich mitten auf die Straße legen und mich vom nächstbesten Auto überfahren lassen. Aber das geht nicht, weil das einzige Auto weit und breit seines ist, und diese Genugtuung werde ich ihm nicht geben. Er würde sich dafür auch noch auf die Schulter klopfen.
Die Scheinwerfer hinter mir kommen langsam näher, werden größer und heller und erfassen mich wie zwei riesige, glotzende Augen. Ich fühle mich nackt. Ich habe das Bedürfnis, mich ganz klein zu machen und mir die Arme über den Kopf zu legen, aber ich laufe weiter und sehe nach vorn. Auch als der Wagen langsamer wird, neben mir herschleicht und Dylan das Beifahrerfenster hinuntergleiten lässt, schaue ich nicht hin. Er soll nicht wissen, dass ich seinetwegen weine. Wieder einmal.
»Warum setzt du dich nicht wieder ins Auto?«
Warum erstickst du nicht an deiner Zunge?
»Bitte, Ariel. Ich möchte mit dir reden«, sagt er. »Ich glaube, das war bloß ein … Missverständnis.«
Ich stolpere, aber ich falle nicht. Das hatte ich nicht erwartet. Ich habe mit wüsten Beschimpfungen und üblen Drohungen gerechnet. Ich habe damit gerechnet, dass er versuchen würde, mich mit etwas zu bewerfen, wenn er an mir vorbeifährt. Aber spielt es eine Rolle? Zorn, verlogene Entschuldigungen, welchen Unterschied macht das schon? Wenn ich mich darauf einlasse, sitzt Dylan doch nur wieder am längeren Hebel, weil er genau weiß, dass ich mich in ihn verknallt habe und ihm sein mieses Schauspiel, seine Lügen geglaubt habe. Ich habe allen Ernstes gedacht, dass er bei unserem ersten Kuss genauso nervös war wie ich. Ich habe geglaubt, dass er sich vor Liebe nach mir verzehrt und sich genauso nach mir sehnt wie ich mich nach ihm.
Idiotin. Freak.
Jetzt nicht mehr. »Lass mich in Ruhe!«
»Hör mir doch mal bitte zu, Ariel. Ich … «
»Lass mich in Ruhe!« Ich laufe schneller und lasse gleichzeitig meinen Blick über die Bäume am Straßenrand wandern. Vielleicht sollte ich in den dunklen Wald rennen, um ihn endlich abzuhängen.
»Nein. Ich kann dich nicht in Ruhe lassen.«
Ich kann dich nicht in Ruhe lassen. Das sagt er mit derselben aufreizenden Stimme, mit der er mich um diese schreckliche Verabredung gebeten hat. Er will mich nur wieder in die Falle locken, und dafür hasse ich ihn. Genauso wie ich mich dafür hasse, dass mir seine Stimme immer noch gefällt. Diese Stimme, mit der jedes Wort wunderschön klingt. Ich höre ihn fast genauso gern reden, wie ich ihn singen höre.
Seine Stimme hat mir von Anfang an gefallen. Wenn er » Bring It on Home to Me« singt, glaubt man ihm sofort, dass er genau weiß, wie es ist, jemanden so sehr zu lieben, dass man alles tun würde, nur um bei ihm zu sein. Wenn ich während der Gesangsproben für den Abschlussball die Kulisse gemalt habe, habe ich bei Dylans Auftritt jedes Mal den Pinsel zur Seite gelegt, die Augen geschlossen und seiner Stimme
Weitere Kostenlose Bücher