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Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Titel: Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kirk
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Klares Wasser tropfte aus dem Hals der Rochenlederblase, und das Licht fing sich darin.
    Kazuteru zögerte, sein Gewissen meldete sich, doch es war offensichtlich, dass dem Mann nicht mehr zu helfen war. Er kniete sich neben den Samurai in den Schlamm und versuchte, ihm die Feldflasche wegzunehmen. Der Mann hielt sie störrisch fest.
    «Ich brauche das Wasser, Freund», sagte Kazuteru in sanftem Ton.
    «Wasser?», murmelte der Mann mit abwesendem Blick. Er versuchte immer noch, sich zu erinnern, wie man trank, und umklammerte weiter die Feldflasche, mit Händen, so starr wie die einer Leiche.
    «Unser Herr, Fürst Shinmen, braucht es», erklärte Kazuteru.
    «Fürst Shinmen», sagte der Mann. Bei diesem Namen gehorchte er instinktiv und löste den Griff. Die Augen fielen ihm zu. Etwas, das weder Blut noch Wasser war, quoll ihm aus dem Mund, und dann war er tot.
    Kazuteru murmelte der entschwindenden Seele des Mannes einen Dank hinterher und goss das Wasser langsam über den Dolch. Es reichte nicht ganz. Ein kleiner schwarzer Schlammklumpen blieb haften, sodass Kazuteru nichts anderes übrig blieb, als die Klinge abzulecken. So also schmeckte das Schlachtfeld. Er spie aus. Der Dolch war nun so sauber wie möglich. Kazuteru nahm ihn in die unbefleckte Rechte und setzte seinen Weg fort.
    Auf der Anhöhe war der Boden nicht ganz so aufgeweicht und zertrampelt, und einige kleine Grasflächen waren noch unzerstört. Kazuteru lief zwischen den Gruppen der überlebenden Samurai hindurch zu der Stelle, wo die Fürsten und Generäle warteten. Mehrere erschöpfte Fußsoldaten, alle ebenso verdreckt wie er selbst, knieten rings um ihre Führer, den Blick in die Mitte gerichtet, um Zeuge dieses letzten Akts zu werden. Manche Männer keuchten noch, andere ließen sich ihre frischen Wunden behandeln.
    Als er sich dem Ort des bevorstehenden Schauprozesses näherte, verfiel Kazuteru in einen geduckten Gang und hielt den Dolch respektvoll hoch erhoben. Die Männer machten ihm den Weg frei, und schließlich stand er vor seinem Herrn, Fürst Sokan Shinmen, der auf einem kleinen Hocker saß. Kazuteru sank auf ein Knie und wartete.
    Der Fürst trug nur seinen Waffenrock aus zähem Stoff. In der Schlacht war ein Pfeil in seinen Brustpanzer eingeschlagen, direkt über dem Herzen, und er hatte den schweren Kürass abgelegt, um die entstandene Prellung verarzten zu lassen. Dass er so knapp dem Tod entronnen war, hatte dem Fürsten ein freudvolles Funkeln in die Augen getrieben, das er nicht verbergen konnte.
    Shinmen nahm den dargebotenen Dolch und betrachtete ihn. Kazuteru hielt den Atem an. Als der Fürst die Wassertropfen auf der Klinge sah, hob er kurz eine Augenbraue, sagte aber nichts. Er schüttelte den Dolch trocken und nickte Kazuteru anerkennend zu. Der verneigte sich tief und wich auf Knien zurück in die Menge. Immer noch den Schlammgeschmack im Mund, durchströmten ihn Erleichterung und Stolz. Er hatte seine Pflicht erfüllt.
    «Fürst Kanno», sagte Shinmen und wandte sich wieder den dreien zu, die in der Mitte der Versammlung warteten. «Wisst Ihr, was nun folgt?»
    Fürst Kanno war der besiegte Feind. Er kniete auf dem Boden, Angsttränen in den Augen. In seiner Miniaturrüstung wirkte er wie aus einer Komödiantentruppe entlaufen. Er war neun Jahre alt.
    «Ich glaube schon», sagte der junge Adlige. «Man erwartet Seppuku von mir. Aber …» Er zögerte.
    «Aber?», erwiderte Shinmen.
    «Aber ich weiß nicht, wie das geht, Hoheit», flüsterte Kanno mit trauriger Stimme und ließ die schmalen Schultern hängen. «Ich durfte nie dabei zusehen. Ich wollte es, aber Vater hat gesagt, ich sei zu jung.»
    Herzliches Gelächter erscholl in der Runde der Samurai. Nur zwei Männer blieben still. Der eine war Fürst Kannos General Ueno, der neben seinem Herrn kniete, ein alter Mann mit schütterem grauem Haar, das ihm wirr um den Kopf hing. Als wahrer Befehlshaber des Feindes war er der eigentliche Verlierer der Schlacht. Er hatte eine Prellung am Auge, blutete aus der Nase und kochte vor Wut.
    Der andere stand hinter den beiden Knienden, mit ausdrucksloser Miene, denn es wäre verwerflich gewesen, im Angesicht besiegter Feinde seine Freude zu zeigen. Vor all den anderen anwesenden Männern war er es, der den Kanno-Clan besiegt hatte. Seine Rüstung war schlicht und praktisch, und die einzige Zierde daran waren die Dellen und Schrammen, die zeigten, wie viele Kämpfe er darin schon bestanden hatte. Er war Munisai Shinmen, Befehlshaber

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