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Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Titel: Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kirk
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der Fußsoldaten seines Herrn, und Fürst Shinmen vertraute ihm und schätzte ihn so sehr, dass er ihm die Ehre erwiesen hatte, seinen Namen auf ihn zu übertragen. Nun erwartete Munisai geduldig weitere Befehle, eine Hand auf den Schwertern an seiner Hüfte.
    Die Heiterkeit legte sich wieder, und Fürst Shinmen sagte: «Seppuku ist nicht schwer. Männern unseres Standes liegt das im Blut.»
    Kanno blickte immer noch ängstlich. «Meine Brüder haben mir gesagt, dass man sich dabei mit einem Messer in den Bauch sticht. Stimmt das?»
    «Ja, so ist es, Hoheit.»
    «Aber tut das denn nicht weh?», fragte der Junge.
    Shinmen lächelte über seine Unschuld. «Das will ich wohl meinen. Aber nicht lange. Nur ein kurzer Schmerz – dann ist Eure Ehre wiederhergestellt und Eure Seele frei, durch den Himmel zu wandern und wiedergeboren zu werden. Es ist ein guter Tod.»
    «Aber ich habe meine Ehre doch überhaupt nicht verloren! Das war mein Vater, Hoheit! Er war’s, der Euch den Krieg erklärt hat!»
    «Der Clan ist eins mit dem Herrn», erwiderte Shinmen. «Das ist der Weg des Adels. Der Leib ändert sich im Laufe der Jahre, aber in Euch sind Euer Vater und Großvater gegenwärtig, so wie mein Vater und Großvater es in mir sind, zurück bis zum Anbeginn der Zeit. Ihrer aller Ehre ist in Euch verkörpert. Wollt Ihr sie etwa enttäuschen?»
    «Nein! Ich habe keine Angst …», beteuerte Kanno und geriet in Panik, weil er sich nicht zu erklären vermochte und wie alle Kinder fürchtete, vor Erwachsenen klein dazustehen. «Es ist nur … Ich weiß nicht, wie das geht!»
    «Nun, dann könnte Euer General es Euch vielleicht zeigen?», schlug Shinmen vor.
    Der kniende Ueno hob den zornigen Blick. «Falls ihr Feiglinge glaubt, dass ich euch diese Ehre erweise, könnt ihr Hunde …», fauchte er speichelsprühend.
    «Wo bleibt Eure Würde?», fuhr Munisai den General an und ergriff damit erstmals das Wort. «Euer Herr bedarf Eurer Hilfe, und so führt Ihr Euch auf? Seid Ihr ein Samurai, oder hat man heute früh etwa einen dreckigen Bauern in diese Generalsrüstung gesteckt?»
    «Vielleicht eine geschickte Finte», sagte Shinmen.
    «Ihr habt es gerade nötig, von Finten zu reden, Shinmen! Unser Gold annehmen und Frieden vortäuschen – wie ein dämonischer Fuchs! Und Ihr …», knurrte der General und sah sich ruckartig zu Munisai um, «… Ihr habt es gerade nötig, von Samurai zu reden! Statt auf dem Felde gegen uns anzutreten wie ein wahrer Krieger, schleicht Ihr herum und greift uns von hinten an wie ein gemeiner Dieb!»
    «Genau dort hinten hieltet Ihr Euch versteckt», erwiderte Munisai.
    «Ich habe meinen Herrn beschützt!», brüllte Ueno.
    «Das ist Euch gut gelungen», konterte Shinmen, und die ringsum versammelten Männer lachten kurz auf. Diesmal aber hatte das Gelächter nichts Herzliches mehr. Ueno blieb nichts weiter übrig, als seinen finsteren Blick zu Boden zu richten und zu versuchen, die Erniedrigung zu ertragen, aber es war einfach zu viel für ihn.
    «Zur Hölle mit euch allen!», spie er. «Also gut, ich zeige es ihm. Gebt mir das Messer!»
    «Was ist mit Eurem Todesgedicht?», fragte Shinmen.
    «Ich habe euch nichts zu sagen. Das wären ohnehin Perlen vor die Säue», sagte Ueno, der sich nun mit energischen Griffen die Rüstung abschnallte. Er legte den Brustpanzer vor sich zu Boden und kniete sich würdevoll hin.
    «Das Messer!», befahl er. Shinmen schlug den Dolch in ein weißes Seidentuch. Dann wurde dieser dem General ehrerbietig überbracht, der ihn wortlos entgegennahm.
    «Mir widerfährt also die Ehre, von dem großen Munisai Shinmen enthauptet zu werden?», höhnte Ueno, während er sich die Dolchspitze seitlich an den Bauch setzte.
    Munisai blickte zu Fürst Shinmen hinüber, der knapp nickte. Er trat neben den General und zog sein Langschwert. Die elegante Klinge war vom Gebrauch getrübt und glänzte daher nicht, als Munisai sie hob, bereit, den tödlichen Hieb zu führen.
    «Ich bin so weit, General.» Mehr sagte er nicht.
    «Seht Ihr zu, Hoheit?», fragte Ueno. Der Junge murmelte etwas Bejahendes. Ueno atmete ein paar Mal tief durch, leckte sich die Lippen, wappnete sich.
    «So stirbt ein Samurai», sagte der alte Mann und stürzte sich urplötzlich rückwärts auf Munisai.
    Für einen alten, erschöpften Mann war er beeindruckend schnell. Ehe der Samurai die Chance hatte, zu reagieren, war der General aufgesprungen und hatte Munisai mit voller Wucht gerammt. Der verlor das Gleichgewicht und

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