Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort
Konto geholt. Du wusstest von nichts. Weil deine alte Karte verschwunden war, brauchtest du eine neue. Du eröffnetest ein Konto in Spanien…«
»Ja, auf Vals Empfehlung hin. Oder eigentlich von der Bank. Aber Val hat alles geregelt, weil ich kein Spanisch spreche.«
»Und dann hast du auf dieses Konto Geld eingezahlt. Geld, das du von Valerie und Stefano leihen durftest.«
»Stimmt«, sage ich. »Durch den Verkauf des Würfelzuckers und der Fakekarten hatten sie jede Menge Bargeld. Val lieh mir einen Teil davon, damit ich nicht sofort nach Hause fliegen musste, obwohl ich pleite war. Ich dachte, sie wollte mir nur helfen, also nahm ich das Angebot an. Neunhundert Euro. Genau der Betrag, den ich zu Hause mit meinem Aushilfsjob zusammengespart hatte.«
»Neunhundert Euro?« Perez zieht den Laptop zu sich, tippt etwas ein und dreht den Monitor wieder zu mir. »Wie erklärst du das dann?«
Es dauert einen Moment, bevor mir klar wird, was ich sehe.
Eine Übersicht. Von meinem neuen spanischen Konto. Ich schaue auf den Betrag.
Zwanzigtausend Euro. Guthaben.
28
Zeit: heute
Ort: Polizeiwache Francaz – Spanien
»Ich habe keine Ahnung, wie dieses Geld auf mein Konto kommt«, sage ich. »Wirklich nicht. Ich habe auch noch nie in meinem Leben zwanzigtausend Euro auf einem Haufen gesehen.«
Als ich mir den Geldstapel versuche vorzustellen, vergesse ich einen Augenblick, dass ich gewaltig in der Scheiße sitze. Ich bekomme Visionen von VIP-Karten für die WM, einem iPad und einem Breitbildfernseher für mein Zimmer.
»Zwanzigtausend Euro«, wiederholt Perez. »Hast du vielleicht noch mehr Frauen ausgeraubt?«
Ich bin sofort ernüchtert. Plötzlich richtig viel Geld auf dem Konto zu haben, ist gar nicht so klasse, wenn man des Mordes verdächtigt wird. Es arbeitet geradewegs gegen einen.
»I-ich habe niemanden beraubt«, stottere ich. »Dieses Geld gehört mir nicht. Ich schwöre es. Vielleicht hat Val es auf mein Konto eingezahlt. Sie hatte jede Menge Bargeld in ihrem Rucksack.«
Ich denke an den Abend zurück, an dem wir gemeinsam im Zelt bei ihrem Rucksack saßen. Könnte es sein, dass noch mehr in ihrem Rucksack verborgen war, als ich im schwachen Schein der Taschenlampe dachte, gesehen zu haben? Aber wie war sie daran gekommen? Für ein paar iPods und Konzertkarten strich man wirklich keine zwanzigtausend Euro ein. Und warum sollte sie das Geld um Himmels willen mir geben?
»Valerie also.« Perez reibt sich mit Daumen und Zeigefinger über den Nasenrücken. »Du glaubst doch nicht wirklich, dass so ein Mädchen zwanzigtausend Euro Bargeld auf ein Konto einzahlen kann, ohne dass ein Hahn danach kräht?«
Mein Kopf dreht sich. Nein, aber woher kommt es dann?
»Außerdem wurde gar nichts in bar eingezahlt«, fährt Perez fort. »Der Zahlungsverkehr lief über andere Kanäle. Mal schauen…« Er dreht den Laptop wieder zu sich. »Die ersten Beträge gingen vor zwei Wochen ein. Wo warst du da?«
Wieder blättere ich durch den Kalender und zähle die Tage. »In Santa Pol, glaube ich. Im Haus von Onkel Raoul.«
»Deinem Onkel?«
»Nein, von Val und Stefano.«
»Adresse?«
»Die weiß ich nicht mehr so genau. Es war in einem sehr grünen Viertel. Otus oder Otès oder so etwas.«
Perez wirft seinen leeren Kaffeebecher in den Mülleimer. »Und dieser Onkel – Raoul, sagtest du? –, der fand es in Ordnung, dass du mitkamst?«
»Er war nicht da. Val sagte, er sei wegen seiner Arbeit in Australien.«
»Passte ja dann gut.«
»Eben nicht. Wenn er zu Hause gewesen wäre, hätte er Stefano getroffen. Na ja, den Kerl, der sich als Stefano ausgibt.«
»Vielleicht.«
»Val und Stefano passte es natürlich sehr gut.«
»Würdest du das Haus wiedererkennen, wenn du es siehst?«
»Ich glaube schon.«
»Gut, dann versuchen wir es mal mit Street View.« Er surft zur entsprechenden Site und tippt Ort und Straßennamen ein.
Ich fühle mich sofort wieder unsicher. »Woher wissen Sie die Adresse?«
»Erkennst du schon etwas?«
Ich folge den Bildern auf dem Laptop-Monitor. »Ja, dort. Das ist die Bushaltestelle, an der wir ausgestiegen sind.«
Perez setzt den virtuellen Spaziergang fort.
»Weiter, weiter.« Es ist, als würde ich zum zweiten Mal durch die Straße laufen. »Stopp! Das ist das Haus von Onkel Raoul.« Ich betrachte das Standbild. In Gedanken gehe ich wieder durch die Haustür und den Flur. Langsam dämmert es mir.
Warum hingen eigentlich keine Fotos im Haus? Nicht von Onkel Raoul selbst, aber auch
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