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Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort

Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort

Titel: Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirjam Mous
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also füllten die Ärzte ihre Patienten mit Alkohol ab, zum Beispiel, wenn sie eine Hand oder ein Bein amputieren mussten.
    Val füllte mich nicht damit ab, sondern ließ den Whisky über die Wunde fließen. »Alkohol desinfiziert auch.«
    »Jammerschade«, fand Stefano.
    »Kehr du lieber das Glas auf«, sagte Val. »Es wäre erst recht schade, wenn du auch gleich noch darin stündest.«
    Er ging und suchte nach Kehrblech und Besen.
    Val fixierte die Wunde mit Pflaster und verband die Hand. Ihre Hände waren zielstrebig und doch sanft. Ich entwickelte sofort Fantasien, was diese Hände wohl noch so alles tun könnten, und danach schämte ich mich ein bisschen, denn es war bestimmt nicht normal, sogar verletzt an Sex zu denken.
    »Jetzt stinke ich nach Whisky«, sagte ich.
    »Ach.« Sie lächelte. »Mal etwas anderes als Chanel No. 5.«
    Stefano hatte ein Kehrblech gefunden und kauerte damit neben den Scherben.
    »Du darfst heute nicht mehr in den Whirlpool.« Val half mir auf. »Sonst wird der Verband nass und das ist nicht gut für die Wunde. Es ist sowieso vernünftig, deiner Hand jetzt etwas Ruhe zu gönnen.«
    Ich setzte mich auf das Sofa im Wohnzimmer, legte meine Hand auf die Lehne und suchte einen Sportkanal.
    Zum Abendessen wärmten wir eine Fertig-Paella auf, die gar nicht mal so übel schmeckte. Abends kam Scream im Fernsehen. Der Film war auf Spanisch nachsynchronisiert und deswegen nicht halb so beklemmend wie sonst. Eigentlich sogar ziemlich lustig. Danach machten wir ein Würfelspiel, bei dem ich vierzig Erdnüsse verlor, und schließlich gingen wir zu Bett.
    Mein Fenster stand offen. Trotzdem herrschte eine Bullenhitze. Ich lauschte, ob ich Val hören konnte, aber auf der andern Seite der Wand blieb es still. Warum hatte sie mir nicht das Sofa, sondern das Gästezimmer gegeben? Sie lag nur eine Tür von mir entfernt. Ich stellte mir vor, dass ich bei ihr anklopfte und sie mich reinlassen würde. Was würde sie anhaben? Das Schlafshirt, das sie auch im Zelt trug? Oder vielleicht gar nichts? Es wäre übrigens noch besser, wenn sie bei mir anklopfte. Dann würde ich nichts riskieren.
    Ich hob mein Ohr vom Kissen. Nein, ich hörte immer noch nichts. Vielleicht auch gut so. Ich hatte schon öfter mal Fantasien über ein Mädchen gehabt und ich wusste auch so einigermaßen, was ich tun müsste. Aber von nervigen Brüdern, die unten auf dem Sofa liegen und schlafen, hatten die Lehrer im Sexualkundeunterricht kein Wort verloren. Angenommen, Stefano würde unerwartet wach werden und Val und mich erwischen. Ich wäre schrecklich aufgeschmissen und den Rest meines Urlaubs würde ich nichts mehr geregelt bekommen.
    Mit einem Seufzer warf ich das Laken von mir. Die Wunde an meiner Hand pochte und meine Blase war voll. Ich sollte besser zur Toilette gehen, sonst würde ich nie mehr einschlafen.
    Ich überquerte den Treppenabsatz und ging zur Badezimmertür. Unten waren Stimmen zu hören. Ich änderte meine Route, ging die Treppe ein Stück hinunter und schaute ins Wohnzimmer. Stefano und Val saßen gemeinsam auf dem Boden vor dem Wohnzimmertisch. Auf dem Tisch stand ein Laptop. Die Stehlampe hinter ihnen brannte und warf Schatten auf ihre Gesichter.
    »Ich dachte, ihr schlaft schon längst«, sagte ich eifersüchtig.
    »Wir hatten noch Lust auf ein Spielchen auf Raouls Computer.« Val klappte den Laptop zu. »Aber du hast recht, es ist schon spät. Ich mache mich auch auf ins Bett.« Sie stand auf. »Wie geht es deiner Hand?«
    »Geht so.« Bah, ich klang wie ein beleidigtes Kind.
    Sie kam die Treppe herauf. »Zeig mal.«
    Die Berührungen ihrer Finger fühlten sich an wie kleine Stromstöße.
    »Sieht gut aus«, sagte sie. »Morgen erneuere ich deinen Verband.«

27
    Zeit: heute
Ort: Polizeiwache Francaz – Spanien
    Auch im Hostel Boquería hat niemand Stefano gesehen. Meine Atmung wird schneller. Ich balanciere wieder am Rand des Hyperventilierens.
    »Ich brauche eine Tasse Kaffee«, sagt Perez. »Für dich Tee?«
    Ich glaube, dass ich nicke, aber meine Gedanken sind irgendwo anders. Vielleicht bin ich wirklich verrückt und ich habe Stefano tatsächlich frei erfunden. Es wirkt fast wie ein Scherz. Eine spanische Fernsehsendung, die dumme Touristen auf den Arm nimmt.
    Aber ich sehe nirgends Kameras.
    Perez stellt Becher vor uns ab. Ich konzentriere mich auf das Öffnen der Zuckertütchen. Ruhig bleiben. Geisteskrankheiten gibt es in unserer Familie nicht. Umrühren.
    »So, wir können wieder.« Perez setzt sich.

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