Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort
schüttelte den Kopf und nahm etwas von der Schale, um etwas zu tun zu haben.
»Du isst doch kein Fleisch.«
Aus Versehen hatte ich eine Scheibe Wurst genommen. »Für dich.«
Ich gab sie ihr und stieg aus dem Whirlpool.
»Was machst du?«, fragte sie.
Mir die Tränen aus dem Kopf heulen.
»Pinkeln.«
30
Zeit: heute
Ort: Polizeiwache Francaz – Spanien
Mein Kopf ist wie der Rekorder, der vor mir steht. Nur spult das Band darin nicht vorwärts, sondern rückwärts. Ganz zurück bis zu diesem Nachmittag im Whirlpool, als wir dieses dumme Spiel spielten.
Wahrheit oder Pflicht.
Stefano hatte die Wahrheit gesagt. Onkel Raoul war bei den Anschlägen in Madrid dabei gewesen. Gleich danach hatte Val ihrem sogenannten Bruder die Hand gedrückt. Jetzt weiß ich erst, warum. Das war ein Zeichen, dass er den Mund halten sollte. Ich durfte nicht erfahren, dass Onkel Raoul tot war und dass wir somit im Haus eines Fremden wohnten.
Lüge oder Pflicht.
»Auch das wusste ich nicht«, sage ich. »Val sagte, ihr Onkel hätte den Anschlag überlebt.«
»Wie seid ihr eigentlich reingekommen?«, fragt Perez.
»Mit einem Reserveschlüssel. Stefano sagte, er habe ihn bei den Nachbarn abgeholt.« Noch bevor ich zu Ende geredet habe, wird mir klar, dass es die zigste Lüge ist. Stefano kannte die Familie Limo nicht einmal, von ihren Nachbarn ganz zu schweigen.
»Warum bist du dann eingebrochen?«
»Hä?« Ich spüre die kalte Luft des Ventilators im Nacken und bekomme eine Gänsehaut.
»Über das Kellerfenster«, sagt Perez. »Du hast die Scheibe eingeschlagen, damit du an den Griff kamst, hast das Kellerfenster geöffnet und bist hineingeklettert.«
Ich fühle an der Verdickung an meiner Hand. Deswegen also lagen die Scherben dort.
»Das war nicht ich, sondern Stefano. Sobald er drinnen war, hat er natürlich nach dem Schlüssel gesucht. Und ihn gefunden. Mir gegenüber tat er so, als sei es der Reserveschlüssel von den Nachbarn, und weil wir einfach durch die Haustür hineingingen, hatte ich keine Ahnung…«
Perez räuspert sich und nickt zu meiner roten Narbe hinüber. »Du hast da einen ziemlichen Schnitt.«
Erneut spüre ich, wie ich unsicher werde. Es ist, als wäre er mir immer einen Schritt voraus und wüsste mehr als ich.
»Hast du dich vielleicht verletzt, als du dieses Kellerfenster eingeschlagen hast?«, fragt er.
Meine Atmung beschleunigt sich und nimmt das Tempo der drehenden Flügel über mir an.
»Glauben Sie mir doch!«, schreie ich. »Ich habe dieses Fenster nicht eingeschlagen. Erst als ich mit der Hand in die Scherben fasste, sah ich, dass es kaputt war. Wir spielten dieses dämliche Spiel, Wahrheit oder Pflicht, und dann, dann…«
Die Tränen strömen über meine Wangen.
Perez reicht mir ein Papiertaschentuch und wartet, bis ich mir die Nase geputzt habe. Sein Mitleid dauert nicht lang. Sofort geht er wieder voll in den Angriff. »Aber wie erklärst du dann die Fingerabdrücke?«
»W-welche Fingerabdrücke?«
»Im Keller lag eine Scherbe mit dem Abdruck deines Daumens und Zeigefingers.«
Es trifft mich wie ein Keulenschlag. Perez wusste also schon längst, um welches Haus es ging! Darum konnte er sofort die richtige Adresse auf Street View eingeben.
Ich zermartere mir das Gehirn.
Natürlich!
»Das ist die Scherbe, die ich mir aus der Hand gezogen habe!«, rufe ich. »Stefano hat sie bestimmt absichtlich in den Keller gelegt, damit die Polizei denken würde, ich sei der Einbrecher.«
»Entschuldige, Fin, aber das klingt schon ein bisschen weit hergeholt.« Perez verschränkt seine Finger. »Außerdem gibt es noch ein Geschirrtuch mit deiner DNA.«
Und ich dachte, es wäre mit dem Bettzeug gewaschen worden.
»Val hat es benutzt, um das Blut abzuwischen«, erkläre ich. »Als ich mich an der Glasscherbe geschnitten hatte.«
Perez’ Daumen drehen kleine Kreise in der Luft. »Wir haben den Blutfleck untersucht. Weil wir keine übereinstimmende DNA in unserer Datenbank fanden, hatten wir die Hoffnung schon fast aufgegeben, den Eindringling jemals zu finden, aber jetzt…«
Ich denke an den großen Wattestab. Wäre ich nur nicht so dumm gewesen, Schleimhaut zur Verfügung zu stellen.
»Es muss auch Spuren von Val und Stefano im Haus geben«, sage ich verzweifelt.
»Die Spurensicherung hat tatsächlich auch Fingerabdrücke von Valerie gefunden. Sie leugnet auch nicht, im Haus gewesen zu sein. Aber sonst…« Perez schüttelt den Kopf.
»Wir haben geputzt«, sage ich. »Die Betten
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