Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort
»Boquería also…«
Mein Blick sucht Halt an der Papiertüte auf dem Schreibtisch. Wenn es nötig wird, kann ich sie mir sofort nehmen. Dieses Wissen reicht gerade aus, um meinen Atem wieder in den Griff zu bekommen.
»Ich glaube, dass Stefano in dem Hostel übernachtet hat, ohne zu bezahlen«, sage ich. »So sehr schwierig war das nicht. In dem Saal, in dem wir schliefen, waren nicht alle Betten besetzt. Und das Personal ist auch nie vorbeigekommen, um zu überprüfen, zu wievielt wir waren. Außerdem gab es an der Seite des Hostels einen gesonderten Ein- und Ausgang für Gäste, damit wir nicht immer wieder an der Rezeption vorbeimussten. Es kann durchaus sein, dass niemand Stefano gesehen hat.«
»Gut.« Perez pustet auf seinen Kaffee. »Angenommen, du hast recht. Aber dann habe ich immer noch einige offene Fragen. Der Erlös der falschen Konzertkarten zum Beispiel. Was hast du damit gemacht?
»Val gegeben. Sie hat es am nächsten Tag auf ihr Konto eingezahlt.«
»Ihr Konto?«
»Ja.« Von wem denn sonst?
»Also nicht auf deins?«
»Nein, natürlich nicht.«
»Woher kam dann dieses Geld?«
Ich setze mich gerade hin. »Welches Geld?«
»Das du auf dein neues Konto eingezahlt hast.«
»Ach das.« Das Geld, das ich mir von Val und Stefano geliehen habe. Ich entspanne mich. »Meine EC-Karte war weg und…«
»Gestohlen?«
»Oder verloren. Das weiß ich nicht. Auf jeden Fall konnte ich dadurch nicht mehr an mein Geld und…«
»Welches Geld?«, fragt Perez.
»Das Geld, das ich auf meinem niederländischen Konto hatte«, antworte ich ungeduldig.
»Es war kein einziger müder Cent auf deinem niederländischen Konto«, sagt Perez. »Als du deine Karte hast sperren lassen, war dein Konto schon längst leer.«
Also doch. All die Stunden Regaleauffüllen. Alles umsonst. »Dann hat derjenige, der meine Karte gestohlen oder gefunden hat, mein Konto abgeräumt«, sage ich.
»Ohne Geheimzahl?«
»Die werden sie wohl irgendwie geknackt haben. Diese Typen sind heutzutage sehr geschickt bei solchen Sachen.«
Perez stellt seinen Kaffeebecher etwas zu heftig ab. »Wie soll ich dir jemals glauben, wenn du mich immer wieder anlügst?«
»Wieso? Was meinen Sie?« Ich lege meine zitternden Hände auf die Papiertüte.
»Das Geld wird von deinem Konto geräumt. Der gesamte Betrag. Sobald nichts mehr drauf ist, behauptest du, deine Karte ist verschwunden. Warum?«
Jaha, hallo! »Weil ich sie wirklich verloren hatte.«
»Du hast sicher gehofft, die Bank würde den verschwundenen Betrag ersetzen, wenn er angeblich gestohlen wurde?«
Die Panik steigt wieder in meine Kehle. »Angeblich?«
»Du selbst hast das Geld von deinem niederländischen Konto geholt.«
»Das stimmt nicht!«
»Leugnen ist sinnlos. Wir haben es schwarz auf weiß.«
»Das kann nicht sein. Ich habe nichts getan.«
Er macht etwas an seinem Laptop und dreht ihn um, sodass ich auf den Monitor sehen kann. »Der Geldautomat von La Lina ist kameraüberwacht.«
Ich starre hypnotisiert auf den Schirm. Jemand kommt ins Bild. Man kann sein Gesicht nicht gut erkennen, nur seine Baseballkappe. Genau so eine, wie ich von Val bekommen habe. Der Kappenträger tippt eine Geheimzahl ein und der Automat spuckt Geld aus. Mein Geld!
»Das muss Stefano sein«, sage ich. »Er hat dasselbe Basecap wie ich. Ein Geschenk von Val.«
»Und er kennt deine Geheimzahl?«
»Nein. Nun ja, zumindest nicht, soweit ich weiß.«
Ich versuche, mich zu erinnern. Wann habe ich mit Karte bezahlt? In dem Hostel. Manchmal, wenn wir einkaufen waren… Der kleine Supermarkt in Córbador! Val stand direkt neben mir, als ich die Geheimzahl eingab.
»Aber Val kennt sie!«, rufe ich. »Natürlich! Sie hat sie Stefano gegeben.«
Perez nimmt einen Schluck Kaffee. »Also glaubst du, dass Stefano deine EC-Karte gestohlen hat?«
Diesmal brauche ich nicht tief in meinen Erinnerungen zu graben. »Beim See! Ich war schwimmen mit Val und habe meine Kleidung bei Stefano liegen lassen. Mein Geldbeutel steckte in meiner Hosentasche. Stefano blieb am Ufer sitzen, weil er ständig angerufen wurde, Sie wissen schon, wegen der Konzertkarten. Val war plötzlich spurlos verschwunden. Ich dachte, sie hätte sich beim Kopfsprung verletzt. Während ich sie suchte, hat Stefano in aller Ruhe meine Karte aus meinem Geldbeutel nehmen können.«
»Mal sehen, ob ich dir folgen kann.« Perez stellt den Becher ab und legt die Hände gegeneinander. »Stefano hat deine EC-Karte gestohlen und alles Geld von deinem
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