Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort
und zog sie an mich.
Ihre Augen flogen auf. »Was machst du?«
Frauenzeitschriften behaupten, Frauen liebten humorvolle Männer, also suchte ich nach einer originellen und witzigen Antwort. Dass ich eine wissenschaftliche Untersuchung darüber anstellte, was mit sonnengetrockneten Tomaten passierte, wenn man sie im Mund eines schönen Mädchens verschwinden sah, oder so etwas.
»Ich hoffe, dass wir nachher schnell eine Mitfahrgelegenheit finden«, sagte Val.
Zu spät. Wie immer. Wahrscheinlich hatte ich die lahmsten Gehirnzellen der nördlichen Halbkugel. Könnte ich sie bloß wie mein Telefonguthaben aufladen.
»Weißt du schon, wo du hinwillst?«, fragte ich.
Sie zuckte die Schultern.
»Ans Meer?«
»Vielleicht«, sagte sie.
»Das ist hier ganz anders als bei uns.«
»Wieso?«
»Unser Meer ist nie knallblau. Nur grün oder grau und meistens verdammt kalt.«
»Weißt du, wo die Wellen am schönsten sind?« Sie starrte träumerisch vor sich hin. »Bei Isla Caballo. Kennst du das?«
Es kam mir vage bekannt vor.
»Das ist keine echte Insel, sondern ein kleiner Ort auf einer Halbinsel, wo früher Wildpferde lebten«, sagte sie. »Darum heißt er so.«
Jetzt fiel es mir wieder ein. Der Name stand auf dem Sattel des Plüschpferds, das an ihrem Rucksack hing.
»Noch immer hat jeder, der dort wohnt, etwas mit Pferden zu tun. Es gibt sehr viele Reitschulen und Pferdezüchter. Mein Vater und ich sind früher oft dort gewesen und dann sind wir jeden Morgen und Abend am Strand entlanggeritten.«
Ich hatte noch nie auf einem Pferd gesessen und hatte offengestanden auch ein wenig Angst. Na ja, ein Shetlandpony fand ich ja noch ganz okay. Aber echte Pferde waren groß und hoch und konnten unvorhergesehen reagieren, wenn sie vor etwas erschraken. Man konnte nie sicher sein, ob sie sich nicht plötzlich aufbäumen oder einem mit ihren harten Hufen an den Kopf treten würden.
»Ich war nirgends so glücklich wie dort«, sagte Val leise.
Sie wirkte auf einmal sehr zerbrechlich.
»Ist was?«, fragte ich.
Sie zuckte zusammen. Als würde ihr jetzt erst bewusst, dass sie laut geredet und nicht nur gedacht hatte. Dann seufzte sie. »Alles geht vorüber.«
»Du kommst da bestimmt noch einmal hin mit deinem Vater.«
»Das wird nicht gehen.«
»Ist etwas mit deinem Vater?«
In ihrem Mundwinkel zitterte ein kleiner Muskel. »Er ist vor ein paar Monaten gestorben.«
»Warum hast du das nicht eher gesagt?« Ich streichelte sie mit dem Daumen. »Wenn hier jemand weiß, wie beschissen schlimm das ist…«
Sie lächelte matt.
»War er krank oder so?«
»Herzinfarkt. Niemand hatte das vermutet.«
»Schlimm. Und deine Mutter? Die ist jetzt also allein zu Hause?«
Val erstarrte. Ihre grünen Augen wurden fast schwarz. »Ja, und?«
»Na ja, ich dachte…«
»Mein Vater hätte sie nie heiraten dürfen«, sagte sie scharf. »Meine Mutter strahlt so viel Wärme aus wie ein Eisschrank und schimpft den ganzen Tag auf alles und jeden. Es würde mich nicht wundern, wenn sie den Herzinfarkt ausgelöst hätte.«
Ich fühlte mich unwohl. »Okay…«
Wir schwiegen eine Weile. Mein Arm lag immer noch um ihren Hals.
»Zum Glück hast du noch Stefano«, sagte ich.
»Ja.« Sie entspannte sich. Dann sah sie mich auf eine Weise an… Ich fasste es als Einladung auf und drückte meine Lippen auf ihre. Wirklich praktisch war das nicht, weil wir nebeneinandersaßen und nicht uns gegenüber, und dann musste ich auch noch darauf achten, dass meine verwundete Hand nicht im Wasser landete. Ich streichelte ihre nassen Haare und versuchte, mich unterdessen so zu drehen, dass ich in eine bequemere Position kam – eine, die weniger in meinem Nacken schmerzte. Kaum hockte ich, ging es besser. Ich schmeckte ihre Zunge mit dem Geschmack nach Tomaten und es war, als würde ich schweben, obwohl ich mit den Füßen auf dem Boden war. Mein Hirn dachte »ruhig angehen lassen«, aber in meiner Badehose kribbelte und juckte alles Mögliche, und während wir uns küssten, hob ich einen meiner Füße über ihr Bein, damit ich auf ihr sitzen konnte und…
»Entschuldige.« Sanft, aber entschieden schob sie mich von sich.
Welch eine Blamage! Wäre ich nur so vernünftig gewesen wie damals mit Lizz. Nie wieder, aber wirklich nie wieder! Ich rieb mir die Augen.
»Ich finde dich wirklich sehr nett und lieb, weißt du«, sagte sie. »Aber…«
Ich schob mich von ihr weg. »Du brauchst nichts zu erklären.«
»Du bist mir doch nicht böse, oder?«
Ich
Weitere Kostenlose Bücher