Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort
lachte.
»Zu zweit ist es doch auch mal ganz nett, oder?«, schrie sie.
Ich presste meine Lippen zusammen, sonst hätte ich »Ich liebe dich« gesagt und dann hätte sie sich natürlich zu Tode erschreckt. Ich wusste auch, dass das nicht wirklich sein konnte – meine Mutter sagt immer, dass man einen erst dann richtig liebt, wenn man auch noch bei ihm bleibt, wenn er alt und mürrisch ist und kein Geld und keine Zähne mehr hat –, aber obwohl ich Val erst so kurz kannte, fühlte es sich in dem Moment so an. Wie wahre Liebe, meine ich. Ohne sie schien das Leben nichts mehr wert. Als müsste man auf einmal ohne Beine und Arme weitermachen, obwohl man immer Profifußballer gewesen war.
»Sehr nett.« Ich nahm einen Schluck Cola. Na ja, ich dachte, es sei Cola, aber meiner Speiseröhre zufolge befand sich auch noch was anderes darin.
»Gin-Cola.« Val lachte. »Die macht dich richtig locker.«
Sorry, Mama.
Wir tanzten und danach trank ich noch eine Gin-Cola. Und kurz darauf noch eine.
»Sollen wir schon zum Zelt gehen?«, fragte Val.
Ich hatte es bestimmt falsch verstanden. »Was sagst du?«
»Ob wir schon mal zum Zelt gehen sollen!«
Mein Herz war wie eine Rakete beim Abschuss. Aber das konnte auch an der Umgebung liegen. »Mir recht!«
»Erst deine Cola austrinken!«
Ich stürzte sie in einem Zug hinunter.
Sie lächelte. »Dann mal los.«
Eng umschlungen verließen wir die Diskothek. Mir war ein bisschen schwindelig und ich hoffte, dass ich mich im Zelt besser fühlen würde. Wenn ich mit Val allein…
Mein Kopf kippte zur Seite und landete auf ihrer Schulter.
»Wir sind fast da«, sagte sie.
Ich kann mich noch daran erinnern, dass wir ins Zelt krochen. Unmittelbar danach crashte mein Gedächtnis…
32
Zeit: eine Woche und drei Tage früher
Ort: Borgus – Spanien
Ich wachte mit einem düsteren und leeren Gefühl auf. Mein Kopf war voller Watte und meine Zunge rau wie Schmirgelpapier.
Wo war ich?
Ich hob den Kopf. Langsam. Noch langsamer. Mein Gehirn und meine Augen protestierten. Es dauerte einen Moment, bis sie sich wieder normaler anfühlten. Ich stützte mich auf meinen Ellbogen und schob mich hoch. Auch das schien eine schwere olympische Disziplin. Und als ich endlich aufrecht in meinem Schlafsack saß, kostete es mich auch noch eine gewaltige Anstrengung zu bestimmen, wo ich war.
Zelt.
Die Sonne schien durch die Zeltplane.
Ich sah zur Seite. Au.
Neben mir lag Val.
In meinem Wattekopf tauchte ein Film von einer Diskothek auf. Oder war es ein Raumschiff? Ich hatte mit Val getanzt, daran konnte ich mich noch vage erinnern, aber sonst?
Sie öffnete die Augen. »Hallo«, sagte sie ohne Ton.
»Hallo«, flüsterte ich.
Sie nahm meine Hand. »Du warst lieb, gestern.«
Gestern? Ich hatte keinen blassen Schimmer.
»Das war dein erstes Mal, oder?«
Ich spürte, wie mir das Blut in die Wangen schoss. Meinte sie…
»Es war schön«, sagte sie.
Allmählich dämmerte es mir. Ich hatte zum ersten Mal in meinem Leben mit einem Mädchen geschlafen und ich wusste nichts mehr davon! Das war noch hundertmal schlimmer, als Fußball im Fernsehen gucken und das entscheidende Tor zu verpassen, weil man gerade aufs Klo musste.
Warte mal… Fernsehen…
Da wiederholten sie doch auch dauernd…!
»Sehr schön.« Ich rückte näher heran.
Au! Ich fasste mir an den Kopf. An diesem Morgen würde ich nichts auf die Reihe bringen.
»Kopfschmerzen?«, fragte sie.
Ich antwortete mit Ja, denn das tat weniger weh als nicken.
Der Zeltreißverschluss öffnete sich und Stefano bewarf uns mit Brötchen. »Los, ihr Faulenzer, aufstehen. Ich habe schon was zum Frühstück geholt.«
Ich legte einen Arm um Val und versuchte, sie zu küssen, ohne den Kopf zu bewegen.
»Gleich«, sagte sie. »Ich habe noch keine Zähne geputzt.«
Kurz darauf hockten wir vorm Zelt und frühstückten. Ich wusste nicht, ob ich froh oder enttäuscht sein sollte. Dass ich mit Val geschlafen hatte, war positiv, aber dass ich mich an nichts mehr erinnern konnte, fiel unter die Kategorie Superkatastrophen. Dass wir jetzt also eine Beziehung hatten und wir höchstwahrscheinlich bald wieder miteinander ins Bett gehen würden, war eine fantastische Aussicht. Auf der anderen Seite machte sie mich auch reichlich nervös, denn für mich war es eigentlich immer noch das erste Mal und ich hatte keine Ahnung, wie ich es gestern getan hatte. Außerdem ging es mir immer noch nicht gut und ich machte mir Sorgen über das schwarze Loch in meinem
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