Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort
Zunge abbeißen können. Es war ja wohl so ziemlich das Entgegengesetzte von cool, wenn man bei einem Rendezvous von seiner Mutter redete. Okay, wir hatten keine offizielle Verabredung, das war mir schon klar, aber ich saß hier dennoch schön allein mit Val. Und selbst das schaffte ich, innerhalb weniger Minuten zu verpatzen.
Aber es war weniger schlimm, als befürchtet. Valerie tat, als wäre es ganz normal, was ich echt sportlich von ihr fand.
»Dann hat deine Mutter dir bestimmt ein paar Kniffe beigebracht«, sagte sie.
Und dann legte sie ihren linken Fuß auf mein Bein!
Augenblicklich war es wie gelähmt, als wäre ich von irgendeinem giftigen Tier gebissen worden. Und das allein durch einen Fuß – wohlgemerkt, der Körperteil, den ich am wenigsten mochte. Da kann man sich vorstellen, was passiert wäre, wenn Val ihren Kopf so auf meinen Schoß gelegt hätte. Es schien mir nicht unwahrscheinlich, dass dann mein ganzes Bein abgefallen wäre.
Zum Glück waren meine Finger nicht gelähmt.
»An deinen Füßen befinden sich Reflexzonen«, erklärte ich. »Die sind mit jedem Teil deines Körpers verbunden. Du kannst es mit einer Fernbedienung vergleichen. Wenn ich hier drücke, massiere ich zum Beispiel deine Leber oder deine Galle.«
»Und wenn man Kopfschmerzen hat?«
»Dafür gibt es bestimmt auch einen speziellen Ort. Leider habe ich nicht selbst an diesem Kurs teilgenommen, also weiß ich nicht genau, wo.« Ich streichelte einfach die ganze Zeit weiter. Es war sehr intim, sich mit jemandes Füßen zu beschäftigen, und dadurch auch ziemlich aufregend. Allmählich wurde mir klar, dass ich Zehen – sicherlich nur, wenn sie so perfekt waren wie die von Val – gewaltig unterschätzt hatte.
»Mhmmmm.« Ihr Gesicht entspannte sich.
Vielleicht gab es ja auch Reflexzonen in den Fingern, mit denen man das Gehirn stimulieren konnte. Ich glaubte jedenfalls, mit jeder Sekunde schlauer zu werden.
»Ich weiß jedenfalls, was passiert, wenn man an dieser Stelle drückt«, sagte ich.
»Was denn?«
»Spürst du es noch nicht?« Ich täuschte Erstaunen vor. »Die steht in Kontakt mit deinem Mund. Der müsste jetzt eine unwiderstehliche Neigung zum Küssen verspüren.«
Sie lächelte nachgiebig und rückte näher.
Und da ging diese blöde Notausgangstür auf!
Stefano stand in dem beleuchteten Rechteck und winkte. »Los, kommt rein, bevor es jemand merkt!«
Val zog schnell die Schuhe an und eilte zu ihrem Bruder. Ich verpasste der Kiste einen Tritt mit meiner Ferse.
»Beeil dich doch!«, sagte Stefano, der ständig über seine Schulter spähte.
Ich schlenderte gemächlich hinein. Es war mir egal, ob wir erwischt würden. Der Abend war sowieso schon gründlich verdorben.
In der Ferne konnte ich schon die Musik hämmern hören. Wir kamen an den Toiletten vorbei und einem Schwarzen Brett mit Plakaten von vergangenen und zukünftigen Auftritten. Bands, Sänger und Sängerinnen, DJs. Heute Abend legte Kelly Iglesias auf. Nie gehört.
»Mach nicht so ein Gesicht.« Val fasste meinen Arm. »Meine Füße sind wie neu geboren. Sie wollen tanzen.«
Stefano drückte die Tür auf. Die Hitze schlug mir entgegen und die Bässe dröhnten in meinen Ohren. Dann standen wir drinnen.
Alles, was recht ist – ich war schwer beeindruckt. Die Diskotheken, die ich bis dahin besucht hatte, kamen nicht einmal annähernd an den La Iguana Club heran. Es erinnerte mich an ein Raumschiff. DJ Kelly – ich nahm zumindest mal an, dass sie es war – stand mit ihren Plattentellern in einer Art gläsernem Cockpit, dicht unter einer schwarzen Decke mit Tausenden von Sternen. Zwischen ihr und der Tanzfläche schwebten einige fliegende Untertassen hoch und runter, auf denen akrobatische Tänzer in eng anliegenden Anzügen zeigten, wie gelenkig sie waren. Im Erdgeschoss tanzte das Publikum auf einem Boden aus Spiegeln. An die Wände wurden Filme projiziert. Ich sah Planeten, Milchstraßensysteme, die erste Mondlandung und Szenen aus Science-Fiction-Filmen.
Val zog mich mit auf die Tanzfläche.
Eine Stunde später standen wir keuchend an der Bar. Sie war aus durchsichtigem Plastik. Ein Mann im Silber-Outfit stellte die Getränke vor uns ab.
»Wo ist Stefano eigentlich?«, brüllte ich Val ins Ohr. Nicht, dass es mich wirklich interessiert hätte, aber er hatte dafür gesorgt, dass wir hereinkonnten, und dafür hatte er sich was verdient.
»Wieso?«, fragte Val. »Vermisst du ihn?«
Er konnte mir wirklich gestohlen bleiben. Ich
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