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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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[…] Die
     Landsberg, Ebert, Scheidemann, die sich als die Hüter der Gesetzlichkeit aufspielten, lassen die Soldateska, die sie aus den
     alten Offiziers- und Unteroffiziers-Elementen und Bourgeois-Söhnchen zusammengesetzt und verhetzt haben, schalten. […] Die
     wildesten |619| Schreier über den bolschewistischen Terror verübten oder duldeten entsetztliche Ausschreitungen, die, wenn sie von Petersburg
     oder Moskau berichtet würden, einen Aufschrei der sogenannten gesitteten Welt entfesseln würden.« 90
    Verfolgt und gejagt, von einem illegalen Quartier in das andere hastend, standen Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg an der
     Seite der Unterlegenen und beschworen – gleich allen großen Revolutionären – den Geist geschichtlichen Optimismus. Peter Weiss
     charakterisiert in seiner »Ästhetik des Widerstands« die Dramatik der Situation in den letzten Wochen des Lebens Rosa Luxemburgs
     treffend: »Die Bildung von Räten war verfrüht gewesen, nur ein geringer Teil der Arbeiterklasse stand hinter den Spartakusforderungen,
     die Mehrzahl ließ sich täuschen von den Losungen, daß beim Wiederanlaufen der Produktion auch ihre Entwicklung gesichert sein
     würde. Die Zeit war zu kurz, als daß Aufklärung sie noch hätte erreichen können. […] Es war ein Krieg des Bürgertums gegen
     die Arbeiterklasse, ein Krieg der Minderheit gegen die Vorhut der geblendeten, geschwächten Mehrheit, und wir, sagte mein
     Vater, taten das gleiche, was Rosa Luxemburg getan hatte, wir taten es halb bewußtlos, sie tat es bei klaren Sinnen, sie blieb
     auf der Seite derer, deren gegenwärtiger Weg verfehlt war und bei denen doch das Recht lag. […] Wir waren im Wunschdenken
     befangen, andern ein Beispiel zu sein. Dann mußten wir einsehen, daß dies falsch war. Nicht falsch von der Sache her, sondern
     von der Wahl des Zeitpunkts. Denn erst in der Bestimmung des richtigen Zeitpunkts, sagte er, äußert sich das Verständnis des
     historischen Materialismus.« 91
    Am 7., 8., 11. und 13. Januar 1919 erschienen in der »Roten Fahne« Rosa Luxemburgs Artikel »Was machen die Führer?«, »Versäumte
     Pflichten«, »Das Versagen der Führer« und »Kartenhäuser« 92 , in denen sie über unentschlossene Organisation und mangelnde Führungskraft als bittere Lehren der Revolutionswochen seit
     dem 9. November und über die nunmehr unvermeidliche Niederlage reflektierte. »›Ordnung herrscht in Warschau!‹ ›Ordnung herrscht
     in Paris!‹ ›Ordnung herrscht in Berlin!‹ so laufen die Meldungen der Hüter der ›Ordnung‹ jedes halbe Jahrhundert von einem
     Zentrum des weltgeschichtlichen Kampfes zum andern«, schrieb Rosa Luxemburg am |620| 14. Januar 1919 in ihrem letzten Artikel.«Und die frohlockenden ›Sieger‹ merken nicht, daß eine ›Ordnung‹, die periodisch
     durch blutige Metzeleien aufrechterhalten werden muß, unaufhaltsam ihrem historischen Geschick, ihrem Untergang entgegengeht.
     […] Die Revolution hat keine Zeit zu verlieren, sie stürmt weiter – über noch offene Gräber, über ›Siege‹ und ›Niederlagen‹
     hinweg – ihren großen Zielen entgegen. Ihren Richtlinien, ihren Wegen mit Bewußtsein zu folgen ist die erste Aufgabe der Kämpfer
     für den internationalen Sozialismus.« 93
    Im Januar 1919 war die »Ordnung« der kapitalistischen Gesellschaft am Ende eines vierjährigen Krieges mit einer sozialdemokratischen
     Regierung an der Spitze durch revolutionäre Massenaktionen zwar noch in Bedrängnis und Aufregung zu versetzen, aber nicht
     mehr zu entmachten. Zu zersplittert waren die Kräfte, die für weitergehende Veränderungen waren, zu groß die Illusionen über
     das bisher Erreichte, zu stark das Verlangen nach Ruhe und Frieden im Innern und nach außen und zu brutal die gegenrevolutionären
     Machenschaften.
    Am 15. Januar 1919 holten die Feinde der Revolution zum entscheidenden Schlag aus. Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht wurden
     in der Mannheimer Straße 43 in Berlin-Wilmersdorf, in der Wohnung der Familie Marcusson, aufgespürt und von der dortigen Bürgerwehr
     verhaftet. Am Abend wurden sie ins Eden-Hotel, das Stabsquartier der Gardekavallerieschützendivision, verschleppt, in dem
     Hauptmann Pabst befehligte und sich von Noske telefonisch für die Ermordung der beiden de facto einen Freibrief verschaffte.
     Karl Liebknecht wurde nach schwerer Mißhandlung im Tiergarten hinterrücks erschossen und von den Mordschützen als unbekannter
     Toter in das Leichenschauhaus

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