Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)
langen Gefängnisstrafen belegt. Dort nennen sie es Hochzeit und feiern ein großes Fest.
Die Frauen, die vergewaltigt worden waren oder Fisteln hatten, wurden von ihrer Dorfgemeinschaft ausgeschlossen. Oft wurden sie von ihren Ehemännern und Familien verlassen, endeten mittellos und verarmt und waren dadurch gezwungen, ihren Körper zu verkaufen.
Wir waren dort gewesen, um zu fotografieren, was in der Klinik geschah, in der Ärzte und Krankenschwestern aus der ganzen Welt Fisteln operierten und Hunderten von Frauen halfen. Das Team war mehrere Wochen dort. Ich blieb über ein Jahr, um auszuhelfen.
Ich ließ mir die Haare von einer meiner besten Freundinnen dort flechten, einer Krankenschwester namens Eshe Mwizi. Sie war mit ihren drei Töchtern vor einem gewalttätigen Ehemann geflohen und arbeitete jetzt in der Klinik. Bis heute schicke ich monatlich Geld an die Klinik und werde das auch für den Rest meines Lebens tun.
Die Depression, die mein ganzes Leben lang in Lauerstellung lag, wurde zu einem Monster, als ich aus Afrika zurückkehrte. Sie brachte mich auf schreckliche Gedanken, bis ich so tief in einem endlosen, strudelnden Tunnel versank, dass ich nicht mehr herauskam.
Damals konnte ich fast spüren, wie mein Verstand ausrastete, weil mir in Afrika zu viele entsetzliche Geschichten ins Ohr geflüstert worden waren, weil ich zu viele Monate mit Gewalttätigkeit, Verkommenheit und Krieg konfrontiert worden war, weil ich zu viele Erinnerungen an meine eigene Vergangenheit hatte, um damit fertigzuwerden. Meine genetische Veranlagung zu Depressionen war auch nicht gerade hilfreich.
Ich war und bin noch immer unfähig, mit Cecilia und Janie darüber zu reden.
Mein Psychiater riet mir, mich für ein paar Tage freiwillig einweisen zu lassen, und mich anschließend zu einem längeren Aufenthalt in die Obhut eines ruhigen, teuren Sanatoriums für psychisch Kranke auf dem Land zu begeben. Er sagte das sehr freundlich, aber ich wusste, dass er kurz davorstand, mich in eine Zwangsjacke zu stecken.
Und irgendwo in dem trüben Dunkel meiner Depression wusste ich, dass es nur zwei Möglichkeiten gab – entweder ins Krankenhaus oder direkten Weges in den Sarg.
Also folgte ich seinem Rat. Ich nahm an vielen Gruppensitzungen mit Menschen teil, die in derselben Schlangengrube steckten wie ich. Wir bastelten, malten Blumenbilder und gingen im Garten spazieren.
Ich freundete mich mit einer Zwangsneurotikerin an, neben der Janie nur leicht absonderlich schien. Ich lernte einen paranoid Schizophrenen kennen, der Ingenieur bei der NASA gewesen war und detaillierte Vorträge über die Entwicklung des Space Shuttle hielt, außerdem eine bipolare Künstlerin namens Cassandra, die mir den Meerjungfrauen-Tisch schenkte und später in den Tod sprang, wie ich bereits erwähnt habe.
Eine blonde Ärztin namens Brenda Bernard rettete mir das Leben, und als ich entlassen wurde, hatte ich nicht mehr das Gefühl, Cassandras Beispiel folgen zu müssen.
Ich war nicht begeistert, als depressiv eingewiesen zu sein. Das Stigma psychischer Krankheit bleibt an einem haften, als wäre man geteert und gefedert worden – was absolut lächerlich ist. Du lässt dich gegen Diabetes behandeln, kein Problem, du armes Ding. Du lässt dich gegen Krebs behandeln? Was kann ich tun, um dir zu helfen, Schätzchen?
Du lässt dich wegen einer psychischen Krankheit behandeln? Sofort weichen dir die Leute aus. Verbohrte, unsensible, engstirnige Schwachköpfe, die nie über ihre verflixte Ignoranz hinauskommen werden, dich aber in eine Schublade stopfen, mit irritierenden Samthandschuhen anfassen, herablassend behandeln und glauben, du wärst eine schwache, vielleicht gefährliche, bis in alle Ewigkeit kranke Irre, mit der man sich aus Sicherheits- oder Gesundheitsgründen lieber nicht abgeben sollte. Es geht über ihre Erbsenhirne hinaus, zu kapieren, dass es heutzutage Menschen mit psychischen Krankheiten auch wieder besser gehen kann.
Meine Einweisung musste sein, um mein armseliges Leben zu retten.
Also stimmte ich zu.
Und deswegen lebe ich noch.
Passt das jemandem nicht?
Tja, Pech gehabt.
In der nächsten Woche machte ich auf dem Weg zur Bäckerei bei einem Friseursalon halt. Ich wies die Friseurin an, mir sämtliche Zöpfe abzuschneiden. Sie stritt sich mit mir, weil sie jung und hip war und einen pinkfarbenen Irokesenschnitt und einen Ring in der Nase trug wie ein Stier. »Die sind doch geil … so cool … also, wollen Sie das
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