Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)
Rankgitter überragte die eine Hälfte, behängt mit Blumentöpfen. Ein Glastisch und zwei gelbe Schaukelstühle standen in der Mitte des winzigen Rasens, der von blühenden Kirschbäumen und dem Tulpenbaum gesäumt wurde. Blumen und Büsche in allen Farbschattierungen blühten an den Rändern, kein einziges Unkraut war zu sehen.
Er hatte mehrere Spalierbögen mit Kletterpflanzen, deren lila und weiße Blüten fast so groß wie mein Gesicht waren. Eine Sammlung alter Gießkannen auf dem rechten und eine Sammlung von Vogelhäuschen auf dem linken Zaun wirkten so … kunstvoll. Windspiele hingen an Haken, Vogelhäuschen in den Bäumen. In einer sonnigen Ecke, zu der ein winziger Kiespfad führte, hatte Bao einen Rosengarten angelegt.
Während draußen die Schönheit blühte, war es drinnen trostlos, wenn auch absolut sauber und ordentlich.
Bao lebte in einem einzigen Zimmer. Es gab eine winzige Küche, ein akkurates Bett mit einer blauen Decke, einen Holztisch und zwei Holzstühle.
Das war alles. Bis auf drei gerahmte Fotos an der Wand. Dort hatten wir zusammen gesessen, nachdem Bao sich auf mich gestürzt hatte und seine Augen schließlich wieder klar geworden waren.
»Ist das deine Familie?«, fragte ich Bao, während er mit verhärmtem Gesicht den Tee trank, den ich ihm eingeschenkt hatte. Das Foto zeigte Bao mit einer Frau und vier Kindern, alle lächelten vor einem hübschen Haus, das auf beiden Seiten von Dschungelbäumen gerahmt wurde.
»Ja, meine Frau. Meine Kinder. Meine kleinen Kinder. Süße Kinder.« Sein Gesicht war freudlos, aber auch leer, als hätte das Leid alle Gefühle zu diesem Thema ausgelöscht.
»Alle tot in unser Dorf. Alle. Ich war in Wald, wenn das passiert. Als ich komme zurück, unser Haus brennt. Keine Familie mehr.« Er seufzte. »Keine Familie mehr. Nur ich.«
»O Bao.«
»Sie verbrennen Haus. Sie kommen und verbrennen Dorf. Ganzes Dorf. Menschen schreien. Menschen können ihre Kinder nicht finden. Ihre Mütter. Ihre Frauen. Mein Freund, er geht in sein Haus durch Flammen, will Familie retten. Er kommt nicht raus. Ich seh mein Freund nie wieder.«
Ich griff nach Baos Hand.
»Ich geh zu Brunnen und hol Eimer und werf Wasser auf Haus, will meine Familie retten. Ich kann nicht durch Tür …« Er hob die Hände. »Feuer. Kein Haus. Alles Feuer, aber ich nehm Eimer, bis Nachbar kommt und meine Arme hält. Er sagt, Wasser nützt nichts mehr. Wasser nützt nichts.«
Ich konnte es mir nicht mal ansatzweise vorstellen. Was hätte ich ohne Cecilia und Janie und Henry gemacht? Ohne Grandma und sogar Momma?
»So viele kleine Kinder in unser Dorf. Tot. Die Soldaten, sie kommen wieder, und wir laufen in Dschungel, aber ich bin so wütend, sie haben meine Familie getötet … Ich lauf raus und sie …« Er fuhr sich mit der Handkante über den Hals. »Sie schlagen mich mit Gewehren, sie brechen mein Bein, meine Hand, sie denken, ich bin tot, aber mein Nachbar, wenn sie weg sind, er kümmert sich um mich.«
Obwohl mein Körper bereits so viele Schmerzen erlitten hatte, war offensichtlich noch Platz für mehr, denn ich litt mit Bao.
»Ich helfe amerikanischer Armee. Dann hierher gekommen. Amerikaner sagen, ich soll jetzt hier leben, weil ich Amerikaner gerettet hab. Ich komm allein. Keine Familie mehr. Siehst du meine Familie? So schön.« Er seufzte wieder. »Meine Frau schön und klug. Meine kleinen Kinder. Schön.«
Ich blieb noch eine weitere Stunde bei Bao. Wir gingen wieder in den Garten, nachdem wir Tee getrunken hatten, und saßen nebeneinander in den gelben Schaukelstühlen. Wir redeten nicht, wir schaukelten; wir leisteten uns Gesellschaft, das war genug. Welche Worte hätten denn schon Trost spenden können?
Der Wind strich um uns, gelassen.
Die Windspiele klimperten.
Die Vögel zwitscherten.
Bao wischte sich eine Träne von der Wange.
»Ich vermisse Frau.«
Eine weitere Träne lief über seine Wange.
»Ich vermisse Kinder. Meine kleinen Kinder. Ich vermisse sie.«
Ich streckte die Hand aus, und wir hielten uns fest.
Wir schaukelten, während die Windspiele klimperten und die Vögel zwitscherten.
Der Wind hört nie auf.
Als ich an einem sonnigen, windigen Vormittag zu meinen Schwestern auf die Veranda kam, hörten sie abrupt auf zu reden, als hätte man ihnen unsichtbare Knebel in den Mund geschoben.
Das war kein gutes Zeichen.
»Morgen«, grüßte ich und fuhr meine Antennen aus.
»Guten Morgen, Isabelle«, sagte Janie. »Wie geht es dir?« Ihr Gesicht war
Weitere Kostenlose Bücher