Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)
wirklich?«
Ich sagte ihr, sie solle alle Zöpfe kappen.
Sie war nicht glücklich darüber, aber sie tat es.
Als ich aus dem Salon kam, war mein braunes Haar kurz, leicht und lockig. Ich kam mir vor, als hätte ich fünf Kilo abgenommen.
Mein geschwollener Kiefer oder mein lila-grün verfärbtes Gesicht sahen durch den neuen Haarschnitt nicht besser aus, aber ich fühlte mich wie ein neuer Mensch.
Ich war begeistert.
Schlichtweg begeistert.
Janie erkannte mich zuerst nicht, als ich mit gesenktem Kopf an den Ladentisch trat. »Ich bin gleich bei Ihnen«, sagte sie fröhlich, während sie am Zuckerguss einer Hochzeitstorte arbeitete, geformt wie der Mount Hood, weil sich das betreffende Paar in einer Schneehöhle am Mount Hood kennengelernt hatte, bei einer Gruppenwanderung, auf der sie vom Schneesturm überrascht wurden. Alle kamen mit dem Leben davon, zwei verliebten sich.
»Gut, was darf’s denn sein?« Lächelnd griff Janie nach dem Bestellblock. Was für eine Veränderung für Janie, der das Reden mit Menschen bisher so unangenehm gewesen war, als würde sie sich einen Zehennagel ausreißen.
Ich lächelte zurück.
Ihr fiel die Kinnlade herunter, und die Augen sprangen ihr fast aus dem Kopf.
»Ach du liebe Güte!«, kreischte sie. »Ich bin begeistert!«
Henry war ebenfalls begeistert. Er drückte mich lange fest an sich. »Keine Zöpfe! Du bist immer noch hübsch, Isabelle!« Er stupste meine Nase leicht mit dem Finger an und zerzauste mir das Haar.
Ich habe vielleicht schon erwähnt, dass Henry alle Menschen liebt. Er liebt die Welt. (Außer dem »bösen Mann«, der mir das Gesicht zerdeppert hatte.)
Er liebt Schmetterlinge und Löwenzahn. Er liebt es, hoch oben die Gänse fliegen zu sehen und Spinnen dabei zuzuschauen, wie sie ihre Netze weben. Er liebt es, Kekse zu essen und Spaghetti, und er liebt die Zeichentrickfilme am Samstagmorgen. Er liebt die Sonne, und er liebt Regentage, an denen er seine gelben Gummistiefel anziehen kann.
Er liebt es, Kostproben zu verteilen und dabei »Jesus liebt dich« zu sagen.
Er liebt alles.
Ich vereinbarte einen Besuch bei Momma und fuhr mit meinem Motorrad nach Portland. Einerseits hatte ich nach dem Überfall Angst, so ungeschützt zu sein, aber andererseits tat ich es genau deswegen. Um gegen die Furcht anzukämpfen, damit die Furcht mich nicht in jemanden verwandelte, mit dem ich nicht leben konnte.
Momma lag im Bett, als ich in ihr Zimmer kam, sie trug ihren rosa Morgenmantel und den Schal.
Ich hatte sie vor einiger Zeit angerufen und ihr mitgeteilt, ich könne sie nicht besuchen, weil ich krank sei. Darauf hatte sie geantwortet, ich sei nur krank, weil ich eine »schlechte Esserin« wäre, »dürr wie eine Vogelscheuche« und »zu faul, auf deine Gesundheit zu achten« und so weiter.
»Komm näher, Isabelle«, fuhr sie mich an und zog mein Gesicht zu sich. Ich saß auf dem Bettrand und tat so, als sähe ich die Rüschenbluse unter dem Morgenmantel nicht.
»Um Himmels willen, was hast du diesmal angestellt?«
Ich war zu müde zum Lügen. Sie war zu klug, mir eine Lüge abzukaufen, selbst wenn ich sie in Zuckerwatte packte. »Schiefgelaufenes Date, Momma.«
Sie betrachtete mich lange, drehte mein Gesicht hin und her; ihren grünen Augen entging nichts. »Du hast deine Zöpfe abgeschnitten. Gut. Du bist keine Negerin, weißt du. Die Frisur gefällt mir besser. Abgesäbelt, schlecht geschnitten, aber besser.«
Ich nickte, erschöpft und ausgelaugt, weil ich vor Rückblenden auf den Überfall davonlief.
Dann passierte etwas Bemerkenswertes: In Mommas Augen fiel etwas zusammen, ihr Gesicht wurde weicher, ihre Lippen zitterten, ihr Kinn bebte, Tränen traten hervor, und sie drückte mich an sich. Mehrere Minuten lang ließ sie nicht los und wiegte mich vor und zurück.
Ich weinte in ihren Schal, und sie tätschelte meinen Rücken. »Du wirst es überstehen, Isabelle Marie Bommarito, du bist stark, mein Kind, und du wirst es überstehen. Das kannst du mir glauben.«
Momma nahm mich so selten in den Arm, dass ich mit meinem Regenbogengesicht noch heftiger weinte, bis ich kaum noch Luft bekam.
Sie hatte mich schon einmal so fest umarmt, nach ihrer Abtreibung. Da hatte sie mich an sich gedrückt, weil sie kollabierte, im freien Fall war und jeden Halt verloren hatte.
Sie nahm mein Gesicht in die Hände, ohne ihre Tränen zu verbergen. »Ich bringe den Drecksack um, der dir das angetan hat.«
Bob der Macher rief Janie an und hinterließ eine
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